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Jeanette Winterson: Frankissstein

Besprechung

Die Anfänge künstlicher Intelligenz und die Frage, ob Körper notwendig sind, in Anlehnung an Mary Shelleys Roman. Es ist das Jahr 1816 und Mary Shelley, die einen komplett verregneten Sommer am Genfer See mit ihrem Mann, dem Dichter Shelley, Lord Byron, dessen Arzt Polidori und ihrer Stiefschwester Claire verbringt, beginnt, den Roman „Frankenstein oder der moderne Prometheus“ über einen Arzt, der eine Mischung aus Mensch und Monster schafft, zu schreiben. Winterson lässt Mary selbst von diesem langweiligen, durch Mengen von Wein und mehr oder weniger gute Gespräche erträglichen Aufenthalt erzählen. Auf einer anderen Erzählebene in der Gegenwart ist der Ich-Erzähler äußerlich männlich, heißt Ry Shelley, ist Arzt und besucht die Robo-Tech-Expo in Memphis Tennessee, wo seine Kontaktperson Claire heißt und er den Unternehmer Ron Lord trifft, der weibliche Sex-Bots herstellt, die man ganz nach eigenem Geschmack im Katalog aussuchen kann. Es gibt sogar Köpfe zum Austauschen. Später ist er wieder in London und besucht eine Vorlesung in der Royal Society von Victor Stein, Spezialist für Künstliche Intelligenz und Inhaber der Firma Optimal mit dem Logo: Die Zukunft ist jetzt. Das ist das Personal der Gegenwartshandlung. Neben grotesken Schilderungen des grausamen Umgangs mit Körperteilen, die Victor für seine Experimente benutzt, abgetrennten Händen und Köpfen – auch der Versuch, Daten aus Gehirnen Toter zu lesen und die Gehirne selbst zu konservieren und sie in ferner Zukunft wieder aufzuwecken, spielt eine Rolle – gibt es fast süßlich anmutende Liebesszenen, zum Beispiel zwischen Victor und Ry, die sich als Trans-Frau entpuppt, die traurig endende Geschichte der Ehe Mary Shelley's, die in fünf Ehejahren vier Kinder gebar und verlor und deren Ehemann bei einem Segelunfall umkam, eine Begegnung mit Byrons Tochter Ada Lovelace, einer Erfinderin von Computer-Vorläufern und viele sehr witzige Dialoge. Mit einem Showdown im Tunnelsystem unter der Stadt Manchester, bei dem Victor verschwindet, endet der Roman.

Didaktische Hinweise

Das Thema der beiden Handlungsstränge ist die Frage, ob der Mensch der Evolution und der Geschichte unterworfen ist oder sie beeinflussen kann. Ist der Geist, ist die Seele notwendig in einem Körper gefangen? Kann man das, was man Geist nennt, künstlich herstellen? Ist das Ergebnis dann „lebendig“? Die Figur der Ry Shelley beschreibt ihre teilweise Geschlechtsumwandlung: „Es ist kein Look; es ist, was ich bin. Meine beiden Ichs. Mein ganzes Ich.“ Die historische Mary Shelley war durch ihre Erziehung politisch interessiert und der blutig niedergeschlagene Weberaufstand von Manchester 1814 beschäftigt sie im Roman. Die industrielle Revolution bemächtigte sich der Arbeiter und nahm ihnen ihre Freiheit. Der Frankenstein-Roman, in dem sie die missverstandene Wahrheitssuche ihrer Figur kritisch beschreibt, ist eine (Wieder-)Lektüre wert. Zu empfehlen ist auch Jeanette Wintersons autobiographischer Roman „Oranges are not the only fruit“ (1985). Er ist im September 2019 in einer Neuauflage der Übersetzung von 1993 als Taschenbuch erschienen. „Frankissstein” ist inzwischen auch als Taschenbuch erschienen.

Gattung

  • Romane

Eignung

in Auszügen geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Englisch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre

FÜZ

  • Kulturelle Bildung
  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2019

ISBN

9783036958101

Umfang

395 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book