Katja Thimm: Vatertage. Eine deutsche Geschichte

Besprechung

Die Journalistin Katja Thimm nähert sich in diesem Buch ihrem Vater und seinen Erfahrungen. Anlässlich seines Umzugs ins Altenheim stellt sie ihm Fragen über seine Kindheit und Jugend, unternimmt mit ihm eine Reise nach Masuren, seine alte Heimat, und reflektiert dabei auch über die eigene Vergangenheit und ihr Verhältnis zum Vater. Horst Thimm gehört zur Generation der „Kriegskinder“. Er ist 13 Jahre alt, als er mit seiner Familie flüchten muss, er wird früh erwachsen und muss Verantwortung übernehmen. Nach den Schrecken der Flucht und der Not der Nachkriegszeit gerät er in die Mühlen der DDR-Staatsgewalt. 1953 wird er aus politischen Gründen zu 6 Jahren Gefängnis in Rummelsberg verurteilt, wo er die ganze Härte des Systems zu spüren bekommt. Nach einem Studium in Westberlin geht er als Beamter ins Gesundheitsministerium nach Bad Godesberg. Hier wachsen auch seine Kinder auf, idyllisch und gleichzeitig am Rande der großen Politik. Das Erlebte wird kaum thematisiert, erst spät fragt die Tochter, auch unter dem Eindruck der im Alter beim Vater aufbrechenden Traumata und Ängste, versteht nun vieles besser und kommt dem Vater näher. Gleichzeitig entsteht hier auf der Grundlage dieser „Familieninterviews“ (dem Buch liegen mehrere Tonbandaufzeichnungen zugrunde) ein eindrucksvolles Geschichtsbuch. Das Buch ist lebendig, reflektiert, liebevoll und deutlich zugleich, denn es spart auch Distanzen und Schwierigkeiten nicht aus. Es wurde mit dem Evangelischen Buchpreis 2012 ausgezeichnet.