Édouard Louis: Wer hat meinen Vater umgebracht
Besprechung
Bei Roman mit dem Titel „Wer hat meinen Vater umgebracht“ handelt es sich um den dritten autobiographischen Roman des 26-jährigen französischen Autors Édouard Louis, in dem er anhand seiner eigenen Familiengeschichte gesellschaftliche Missstände offenlegt. Dabei handelt es sich bei Louis' Roman um alles andere als um eine persönliche Schicksalsgeschichte, sondern Louis, der eigentlich Eddy Bellegueule heißt, hat einen hochaktuellen und politischen Roman verfasst, in dem er am Beispiel seines Vaters das Versagen von Politik und gesellschaftlicher Erniedrigung anklagt. Radikal, zornig und mitunter sehr polemisch konfrontiert Louis die Leserinnen und Leser mit dem Schicksal seines Vaters, der nach einem schweren Arbeitsunfall in einer Fabrik arbeitsunfähig ist. Die Sozialhilfe, die der Vater bekommt, reicht jedoch bei weitem nicht aus, er muss sich um eine neue Stelle bemühen und wird schließlich als Straßenfeger in einer anderen Stadt angestellt. Louis klagt dabei eine ganze Reihe von Politikern namentlich an, die er dafür verantwortlich macht, dass sein Vater und mit ihm viele andere zu Opfern elitärer Arroganz und politischen Versagens werden. Auf den Zusammenhang zwischen einer abgehängten Arbeiterklasse und dem Wahlverhalten dieser Leute hat Édouard Louis bereits in seinem Essay über die französische Arbeiterklasse aufmerksam gemacht. Neben dem politischen Aspekt, bei dem der Sohn seiner Wut gegenüber den Herrschenden freien Lauf lässt, handelt es sich bei „Wer hat meinen Vater umgebracht“ auch um ein versöhnliches Buch. Édouard Louis hat in seiner Kindheit häufig unter dem jähzornigen, alkoholisieren Vater gelitten, der die Homosexualität des Sohnes nicht verstehen und akzeptieren konnte und seine Homosexualität als persönliche Beleidigung empfunden hat. Hierüber hat Édouard Louis bereits in seinem Debütroman „Das Ende von Eddy“ berichtet, in dem er auch über die aggressive Homophobie schreibt, der er in seiner Kindheit und Jugend ausgesetzt gewesen ist.
Didaktische Hinweise
Roman „Wer hat meinen Vater umgebracht“ eignet sich (auch zusammen mit „Alles über Eddy“) sehr gut als Schullektüre. Besonders die Radikalität und sprachliche Schärfe mit der Edouard Louis auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam macht und mit der er es schafft, Empathie und Verständnis für die ins soziale Abseits Gedrängten zu erzeugen. Édouard Louis‘ Texte, für die er selbst den Begriff der konfrontativen Literatur prägte, sind somit eine gute Grundlage, um mit den Schülerinnen und Schülern über aktuelle politische Entwicklungen in Frankreich, Deutschland oder auch in Europa ins Gespräch zu kommen. Sie zeigen nicht nur den Zusammenhang zwischen Armut und politischer Wut auf, sondern auch, wie mangelnde Bildung sozial determinierend sein kann und welche Kraftanstrengung es braucht, wie im Falle von Édouard Louis selbst, sich aus diesem Millieu zu befreien. Dass nicht jeder dazu in der Lage ist, sondern die Politik hier eine große Verantwortung trägt, wird in Louis' Texten mehr als deutlich.
Weiterführende Links, die sich zur Diskussion mit den Schülerinnen und Schülern eignen, finden sich unter Deutschlandfunk Kultur.
Das Buch eignet sich außerdem zur Besprechung im Sinne der Bildung für Nachhaltige Entwicklung, besonders unter den Punkten Keine Armut (1) und Menschenwürde (8).
Gattung
- All Age
Eignung
als Klassenlektüre geeignetAltersempfehlung
Jgst. 10 bis 13Fächer
- Sozialkunde/Politik und Gesellschaft
- Deutsch
FÜZ
- Politische Bildung
- Soziales Lernen
- Kulturelle Bildung
- Familien- und Sexualerziehung
- Bildung für Nachhaltige Entwicklung (Umweltbildung, Globales Lernen)
Erscheinungsjahr
2019ISBN
9783103974287Umfang
80 SeitenMedien
- Hörbuch