Conrad Ferdinand Meyer: Die Versuchung des Pescara

Besprechung

Der Leser wird im ersten Kapitel Zeuge eines Gespräches am mailändischen Herzogshof. Mailand, Venedig und der Papst planen die Gründung einer Liga gegen Karl V. und beabsichtigen, dessen Feldherrn Pescara auf ihre Seite zu ziehen. Das zweite Kapitel spielt in Rom, wo der Papst versucht, über Pescaras Frau, die gefeierte Dichterin Victoria Colonna, Einfluss auf den Feldherrn zu nehmen. Er bietet Pescara für den Verrat die Königskrone an. Erst im dritten Kapitel tritt der Protagonist selbst auf, er widersteht scheinbar mühelos allen verlockenden Angeboten, auch der ihm nahe Stehenden. Zwar hält Pescara eine Einigung Italiens und die Befreiung von der Fremdherrschaft für wünschenswert, jedoch für verfrüht. Die Menschen seien noch nicht reif dafür. Erst allmählich kristallisiert sich der wahre Grund für Pescaras maßvolles Verhalten heraus. Eine in der Schlacht von Pavia, seinem größten Sieg, empfangene Wunde wird in absehbarer Zeit seinen Tod herbeiführen. Pescara bleibt gerade noch Zeit, einige private und politische Angelegenheiten in seinem Sinne zu regeln, bevor er stirbt. Italien wird voraussichtlich in Chaos und Bürgerkrieg zurückbleiben Meyers zentrales Thema, die Verführbarkeit des Menschen und sein moralisches Versagen, wird in dieser Novelle kombiniert mit der Frage nach Herrschaftslegitimation und den Motiven politischen Handelns allgemein. Zugrunde liegen vor allem Ideen des 19. Jahrhunderts, wie etwa der Nationalismus, die in einem historischen Gewand erscheinen.