Theodor Fontane: Frau Jenny Treibel oder Wo sich Herz zum Herzen findt

Besprechung

Am Arm ihres Jugendfreundes und jetzigen Professors Willibald Schmidt promenierend, gedenkt die durch Heirat in die wohlhabende Berliner Bourgeoisie aufgestiegene Jenny sentimental mit Tränen in den Augen vergangener Zeiten. Sie beteuert, an der Seite eines zwar nicht in so reichen Verhältnissen lebenden Mannes, der dafür aber „in der Welt der Ideen und des Idealen“ stünde, wäre sie wahrscheinlich viel glücklicher geworden: Ganz im Sinne eines ihr einst von Willibald gewidmeten Jugendgedichts, wahres Leben sei nur dort, wo sich „Herz zu Herzen findt“. Ihre eigentliche, materielle Gesinnung offenbart sich jedoch, als sich zwischen ihrem Sohn Leopold und der intelligenten, aber mittellosen Corinna, der Tochter Schmidts, eine Beziehung anbahnt und Leopold an Heirat denkt. Leopold liebt Corinna, ist jedoch zu weich und energielos, um sich gegen seine Mutter durchzusetzen. Die kluge Corinna durchschaut die Beweggründe Jennys natürlich genau. Von sich aus gibt sie Leopold frei und heiratet gemäß ihrem gesellschaftlichen Stand den Archäologen und zukünftigen Professor Marcell. Auf der Hochzeit finden sich die beiden Familien Treibel und Schmidt wieder in alter Freundschaft vereint zusammen. In humorvoller und zugleich deutlicher Weise verstand es Fontane in diesem manchmal fast schon satirisch anmutenden Roman, seine Kritik an der gehobenen bürgerlichen Gesellschaft vorzubringen.