Ian McEwan: Die Kakerlake

Besprechung

Bei „Die Kakerlake“ von Ian McEwan handelt es sich um eine kafkaesque Politsatire auf den Brexit und seine Folgen. In Anlehnung an Kafkas berühmte Parabel verwandelt sich nicht ein Mensch in seinen Käfer, sondern eine Kakerlake in den englischen Premierminister Jim Sams. Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit in die ungewohnte Situation und Rolle besteht die erste Amtshandlung des neuen Premiers darin, den persönlichen Sekretär zu feuern, um freie Hand bei allen weiteren Entscheidungen zu haben. Sein Ziel ist es, ein völlig neues Wirtschafts- und Gesellschaftssystem einzuführen, den sogenannten „Reversalismus“, der darin besteht, den Geldfluss umzukehren: Wer Arbeit hat, muss dafür den Arbeitgeber bezahlen und zwar in Höhe des Gehalts. Beim Einkaufen wiederum bekommt man für die gekauften Waren die Preissumme ausbezahlt, mit der bezahlt man dann seinen Arbeitgeber. Überschüsse darf es nicht geben. Alles Geld muss sofort wieder ausgegeben werden. Je höher die Vergütung des Jobs, desto mehr muss man einkaufen. Das bringt die Wirtschaft in Schwung und führt zur Verteilung des Reichtums. Zur Durchsetzung seines Vorhabens scheut der neue Premierminister nicht vor Lug und Betrug zurück. Um seine Ideen zu verbreiten setzt er auf skrupellose Manipulation und Fake News (vgl. hierzu auch den BBC-Film Brexit). Als ein französisches Kriegsschiff aus Versehen ein britisches Fischerboot in dichtem Nebel rammt und dabei sechs Seemänner sterben, wird die Nachricht bewusst zum provozierten Angriff aufgeblasen, um eine Schmutzkampagne gegen Frankreich zu führen. Als die Wahrheit ans Licht kommt, folgen halbherzige Entschuldigungen. Immer wieder werden parlamentarische Absprachen bewusst gebrochen, die öffentliche Meinung ist jedoch mittlerweile soweit aufgeheizt, was den den Reversalisten zur Macht verhilft.