Joachim B. Schmidt: Kalmann
Besprechung
Bei Joachim B. Schmidts Roman mit dem Titel „Kalmann“ handelt es sich um einen skurrilen Kriminalroman, der in dem kleinen Städtchen Raufarhöfn im Nordosten von Island, nur ein paar Kilometer vom Polarkreis entfernt, angesiedelt ist. In dem 175 Einwohner zählenden Städtchen, das früher ein reger Umschlagplatz für den Heringsfang gewesen ist, hat sich ein Mord ereignet, dem ein weiterer sonderbarer Todesfall folgt. Im Mittepunkt der Handlung steht der liebwerte aber auch etwas wunderliche Ich-Erzähler Kalmann Óðinsson, der ausgerüstet mit Cowboyhut, Sheriffstern und einer Mauser aus dem Koreakrieg – alles Geschenke von Kalmanns amerikanischen Vater, den er als Kind nur einmal zu Gesicht bekommen hat – über Recht und Unrecht im Dorf zu wachen scheint. Böse Zungen bezeichnen Kalmann auch als „Dorfdeppen“, da Kalmann weder die Schule besucht noch einen Führerschein hat. Der einzige, der immer an Kalmanns Fähigkeiten geglaubt hat, ist Kalmanns Großvater, der aber mittlerweile in einem entfernten Altenheim lebt und den Kalmann nur einmal die Woche besuchen kann. Er hat Kalmann nicht nur das Jagen und Spurenlesen beigebracht, sondern auch, wie man, den „zweitbesten Gammelhai auf Island“ herstellt – ein etwas gewöhnungsbedürftiges, fermentiertes Haifleisch, das sich geradezu leitmotivisch durch den gesamten Roman zieht und mit dem sich Kalmann seinen Lebensunterhalt verdient. Kalmanns Mutter besucht hingegen ihren erwachsenen Sohn nur selten in Raufarhöfn. Die Handlung setzt ein, als Kalmann bei einem seiner Jagdausflüge auf eine Blutlache stößt, die wohl von dem spurlos verschwundenen ortsansässigen Hotelier und Unternehmer Róbert McKenzie stammen muss. Die Polizei taucht bei Kalmann auf und er wird mehrfach verhört. Was folgt, ist eine äußerst spannende und bizarre Geschichte um litauische Arbeiter, die in dem Hotel gearbeitet haben, um einen Eisbären und um ein Fass Marihuana, das plötzlich vor der Küste von Raufarhöfn auftaucht. Alles, was der Leser und die Leserin über die sonderbaren Vorkommnisse erfährt, erfährt man aus der extrem subjektiven Sicht Kalmanns. Dies führt schließlich dazu, dass man immer nur das wissen kann, was Kalmann in seiner ihm ganz eigenen Wahrnehmung von Realität erzählt und der Leser/ die Leserin bleibt lange in der Schwebe, ob Kalmans vermeintlich naiver Blickwinkel bei der Mordaufklärung behilflich ist oder diese eventuell sogar eher bewusst behindert.
Didaktische Hinweise
Joachim B. Schmitts Roman eignet sich sehr gut als Klassenlektüre in der Oberstufe. Die ausgeklügelte Erzählperspektive lässt sehr gut zusammen mit den Schülerinnen und Schülern analysieren und mit dem Subjektivismus der Romantik in Verbindung bringen. Dabei lohnt sich auch ein Blick auf die russische Erzähltradition (Skas), die darauf abzielt, die/den Leser/in über den Verlauf der Handlung durch die bewusste Nichtpreisgabe von Informationen im Unklaren zu lassen. Diese wird bei Joachim B. Schmidt durch Kalmanns besondere Persönlichkeit erzielt, was den Roman auch in die Nähe eines Schelmenromans rückt. Bei Kalmann selbst handelt es sich um eine komplexe Figur, die sich in einem schulischen Kontext in der Nachfolge von Jugendromanen wie „Wunder“ oder „Simpel“ lesen lässt. Ferner verfolgt der Roman, durch den Mord an dem Hotelier Róbert McKenzie, der sich nach und die Fischfangquoten gesichert und Raufarhöfnin finanzielle Bedrängnis gebracht hat, auch einen gesellschaftskritischen Ansatz, der sich im Rahmen der Globalisierung kritisch diskutieren und in einen größeren Zusammenhang bringen lässt.
Gattung
- All Age
Eignung
sehr gut als Klassenlektüre geeignetAltersempfehlung
Jgst. 10 bis 13Fächer
- Deutsch