Olga Grjasnowa: Gott ist nicht schüchtern

Besprechung

Amal, Schauspielerin, Tochter eines reichen Vaters, schließt sich Demonstrationen gegen Assads Regime an. Erste Gewalterfahrungen, Einschüchterungen und Demütigungen lassen erahnen, was kommen wird und wovor sie ihr einflussreicher Vater nicht mehr wird schützen können. Amal flüchtet in den Libanon, dann in die Türkei und schließlich übers Meer nach Italien (das Schiff ist untergegangen und Amal rettet ein Kind). Von dort geht es nach Deutschland, sie muss hier zwar nicht mehr um ihr Leben fürchten, hat aber alles verloren, was dieses vorher ausgemacht hat: Besitz, Beruf, Freunde, Status, Zukunft. Sie ist quasi unsichtbar geworden und fühlt ständig die Herablassung der Europäer gegenüber der „neuen Rasse“ der Flüchtlinge.

Ebenfalls zunächst privilegiert ist Hammoudi, der Arzt aus Paris, der in Syrien nur seinen Pass verlängern lassen will und nun nicht mehr zu seiner Verlobten Claire zurückkann. Rücksichtslos wird er gezwungen, in einem Untergrundlazarett verwundete Soldaten zu operieren und gerät so ungewollt mitten in die syrische Revolution. Auch Hammoudi flieht, allerdings ereilt ihn auch im vermeintlich sicheren Deutschland der Tod.

Das Buch ist stark journalistisch geprägt und enthält viele Fakten über Massaker, Schlepper, Fluchtrouten, Fremdenfeindlichkeit. Sein Verdienst ist, dem Leser nahezubringen, dass hier durchaus vergleichbare privilegierte Lebensläufe massiv und brutal zerstört wurden, weil Menschen das Pech hatten, im falschen Land geboren worden zu sein.

Die Autorin ist selbst mit einem Syrer verheiratet und hat nach eigenen Aussagen viele tatsächlich erlebte Flüchtlingsgeschichten in ihren Text einfließen lassen. Diese Authentizität ist spürbar.