Norbert Scheuer: Überm Rauschen
Besprechung
„In unserer Kindheit war für meinen Bruder und mich das ganze Haus voller Geräusche und Angst, nur das Rauschen des Wehrs, das sich hinter der Gaststätte befand, beruhigte uns.“ Der besagte Fluss erweist sich im Laufe dieses Romans von Norbert Scheuer als schicksalsträchtig für die stigmatisierte Familie des Protagonisten. Dieser, gleichzeitig der Ich-Erzähler, reist zunächst widerwillig zurück an die Stätten seiner Kindheit, um seinem älteren Bruder Herrmann beizustehen, der offensichtlich an seinem Schicksal zerbrochen ist und sein Zimmer seit Tagen nicht mehr verlässt. Während des Aufenthalts in einem kleinen Ort in der Eifel lässt der Protagonist seine Kindheit Revue passieren und liefert damit plausible Erklärungen für das skurrile Verhalten des Bruders. Einen Schlüssel dazu stellt deren Mutter dar: Diese führte die einst einträgliche Gaststätte und Pension, die hauptsächlich von leidenschaftlichen Anglern, die am angrenzenden Fluss ihr Anglerglück suchten, frequentiert wurde. Die im Grund emotionslose Frau ließ sich auf zahllose erotische Abenteuer ein, selbst nachdem sie einen Ersatzvater für ihre Kinder, die nebenbei gesagt alle unterschiedliche Väter haben, geheiratet hatte. Ihre vier Kinder kennen ihre leiblichen Väter nicht einmal und haben aufgrund dieser prekären Familienkonstellation das ein oder andere Päckchen zu tragen. Um dieser spannungsgeladenen Situation zu entfliehen, suchten Vater und Bruder ihr Glück beim Angeln: Mehr und mehr von der Außenwelt isoliert, kreiste ihr Denken um bizarre Köder und den mysteriösen Urfisch, den einst bereits der Vater suchte und nun auch der Sohn. Doch der Vater ist inzwischen tot, die Mutter in Pflege und die Gastwirtschaft alt und verfallen. Zurück bleibt nur der an einer unglücklichen Liebe und am Lebensglück gescheiterte Bruder Herrmann, den die Geschwister nun vor der Psychiatrie retten wollen. Der Erzähler analysiert diese ungewöhnliche Familiengeschichte emotionslos und arbeitet in poetischer Sprache die Vergangenheit des Protagonisten auf. Ein lesenswerter Roman, der den Leser nicht nur mit der Materie des Köderfischens vertraut macht, sondern auch die ewige Suche nach dem Glück thematisiert.
Didaktische Hinweise
Als Klassenlektüre ist der Roman aufgrund seiner Thematik nur bedingt geeignet, dreht sich doch ein Großteil der Erzählung um den Fischfang und die damit verbundenen Taktiken. Für eine Buchvorstellung in Form eines Referats kann dieser Roman aber durchaus von Schülerinnen und Schülern mit einem Faible für dieses Hobby Verwendung finden.
Gattung
- Romane
Eignung
in Auszügen geeignetAltersempfehlung
Jgst. 10 bis 13Fächer
- Deutsch
Erscheinungsjahr
2010ISBN
9783406610417Umfang
169 SeitenMedien
- Buch