Michael Maar: Heute bedeckt und kühl. Große Tagebücher von Samuel Pepys bis Virginia Woolf

Besprechung

In knapp 50 Kapiteln kommentiert der Autor teils wörtliche Zitate, teils wiedergegebene Passagen aus Tagebüchern berühmter Leute. Dass man nicht die vielen Bände zum Beispiel der Tagbücher Samuel Pepys aus dem London des 17. Jahrhunderts lesen muss, sondern eine repräsentative Auswahl bekommt, ist nicht zu verachten. Nur ist nicht ganz klar, wozu man die langen Passagen braucht, in denen der Autor sein umfassendes Wissen preisgibt und seine persönliche Sicht darstellt. Das klingt dann manchmal etwas platt: „Nur in Tagebüchern ist das Allerprivateste so unlösbar verschlungen mit dem, was später als Datum in den Geschichtsbüchern stehen wird“ (S. 16). Auch macht sich der Autor gerne ein wenig lustig über die Tagebuchschreiber: „Rahel (Varnhagen) verlässt die Wohnung im Streit mit der Mutter, die nach der Entbindung versäumt hatte, sie zu ersticken“ (S. 28) in Anspielung auf die bittere Bemerkung Rahels: „(sie hätte) mich bei meinem ersten Schrei im hiesigen Staub ersticken sollen.“ Oder über das „Coming Out“ (S. 33) August von Platens: "Damit ist es heraus. Platen liebte nicht die Weiber, sondern einen Mann“ (S. 34). Auch derlei kommt mir etwas platt daher. Die Fundstellen zu den Originaltagebüchern sind im Anhang zu finden: in einem Teil nach den Kapiteln angeordnet Jahres- und Seitenzahl, in einem weiteren Anhang die Quellen. Sollte man an so einer Textstelle weiterlesen wollen, täte man sich schwer. Gleichwohl, trotz meiner Einwände: So ein Buch liest man gerne, auch wenn es die Lektüre der Originale nicht ersetzen kann. Seit Anfang 2015 leigt das Buch bei C. H. Beck auch als preiswertes Taschenbuch vor.