Marcel Reich-Ranicki: Über Amerikaner. Von Hemingway und Bellow bis Updike und Philip Roth.

Besprechung

Im „Literarischen Quartett“ hat Marcel Reich-Ranicki der deutschen Gegenwartsprosa immer wieder die Kraft und Größe des amerikanischen Erzählens vorgehalten. Hier liegen nun seine seit den 60er-Jahren publizierten Artikel über amerikanische Autoren in Buchform (angeordnet nach dem Geburtsdatum der Autoren) mit einem Verzeichnis der behandelten Bücher und einem Personenregister vor. Es dominieren die Männer (Ernest Hemingway, Vladimir Nabokov, Henry Roth, Bernhard Malamud, Saul Bellow, Arthur Miller, John Updike, Jerzy Kosinski, Philip Roth und Richard Ford), aber auch die großen Erzählerinnen sind mit Mary McCarthy, Joyce Carol Oates und Jayne Anne Phillips vertreten. In der gewohnten wertungsfreudigen Art deckt Marcel Reich-Ranicki in den besprochenen Werken (seine) literarischen Qualitätsmaßstäbe auf, verteidigt historisch mittlerweile zu relativierende, vor allem sexuelle Tabubrüche, zeigt Zusammenhänge zwischen Leben und literarischem Werk und fragt nach den Gründen des mitunter verspäteten Erfolgs auch in Deutschland. Besonders eindrucksvoll ist das Hemingway-Kapitel: Der weltweite Erfolg, auch im Deutschland der Neuen Sachlichkeit und nach 1945, beruht auf literarischer Meisterschaft gerade im Lakonismus des Erzählens, seinem kritischen Impetus bei gleichzeitiger Verherrlichung der rohen Kraft und der Schwäche für Tod und Gewalttätigkeit, mit der er zugleich auch „der Flaubert der kleinen Leute und der Karl May der großen Snobs“ wurde. Nicht zu vergessen ist dabei die problemlose, unausgesprochene Identifikation des Autors mit seinen Figuren und seine Selbstinszenierung als großer Kerl und Schreibbesessener.