Ursula Krechel: Shanghai fern von wo
Besprechung
Ursula Krechel, mit „Landgericht“ die Gewinnerin des Deutschen Buchpreises 2012, hat sich bereits vor diesem Roman mit jüdischen Emigranten befasst. In Archiven forschte sie über das Schicksal der 18.000 vor dem Nationalsozialismus nach Shanghai (man brauchte hier kein Visum) geflüchteten Juden, sie las Akten, Zeitungen, Briefe, Erinnerungen, führte Interviews mit Überlebenden und ihren Nachkommen und hörte Tonbänder ab. Nach Hörspielen schrieb sie dann das Buch. Alle Personen haben reale Vorbilder, sind quasi dokumentiert, die Autorin hat nach eigener Aussage nur behutsam Leerstellen gefüllt. Entstanden ist dabei ein Buch, das die ganze Verlorenheit dieser Menschen, ihr Ausgesetztsein in einer wild-exotischen Stadt, in einem mörderischen Klima, ihre Sehnsucht nach dem Land ihrer Mörder und die Angst, die die Nazis sogar im fernen Shanghai verbreiten konnten, beschreibt. Der verzweifelte Überlebenskampf kann so aussehen, dass die Frau eines Rechtsanwalts aus Temesvar wegen eines gelungenen Apfelstrudels eine Anstellung erhält, dass ein Buchhändler mit Zeitungen hausieren geht oder ein Kunstkenner versucht, für einen reichen Auftraggeber ein Turner-Gemälde zu erstehen. Das sind noch die Glücklicheren, andere leben von Almosen, in entwürdigenden Unterkünften, in Schmutz und Elend. Nach der japanischen Besatzung wird die Situation immer unerträglicher. Viele Flüchtlinge sterben im Exil, die Heimkehrenden werden nicht mehr glücklich, ihr Leben ist abgebrochen, zerstört. Das Buch ist ein literarisches Denkmal für sie alle.
Didaktische Hinweise
„Shanghai fern von wo“ ist ein Roman und ein Geschichtsbuch und kann deshalb sowohl im Deutsch- als auch im Geschichtsunterricht eingesetzt werden. Das Buch eignet sich als Lektüre und als Thema für Referate oder schriftliche Arbeiten. Hier wäre der Vergleich der Quellen mit der literarischen Bearbeitung besonders interessant. Im weiteren historischen Zusammenhang mit dem Thema sind auch der Film „John Rabe“ (2009) und Ha Jins Buch „Nanking Requiem“ (2012) zu erwähnen. Es handelt von der Rettung der Zivilbevölkerung vor Massakern der japanischen Armee 1937/38, die in Japan noch heute tabuisiert werden.
Gattung
- Romane
Eignung
themenspezifisch geeignetAltersempfehlung
Jgst. 11 bis 13Fächer
- Deutsch
- Geschichte
FÜZ
- Kulturelle Bildung
- Werteerziehung
Erscheinungsjahr
2010ISBN
9783442740611Umfang
512 SeitenMedien
- Buch