Swetlana Alexijewitsch: Secondhand-Zeit. Leben auf den Trümmern des Sozialismus
Besprechung
Bei dem Roman „Secondhand-Zeit. Leben auf den Trümmern des Sozialismus“, für den die aus Weißrussland stammende Autorin 2013 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten hat, handelt es sich um einen dokumentarischen Roman, der die radikalen gesellschaftlichen Umbrüche in der Sowjetunion seit 1991 beschreibt. Anhand von exemplarischen Lebensgeschichten, die die Autorin in Form von Gesprächen, Interviews und Gesprächsfetzen in ihrem Roman zu einem großen Ganzen montiert, liefert Swetlana Alexijewitsch einen bestürzenden Einblick in den Zusammenbruch einer Gesellschaft. Wie sich dem Roman entnehmen lässt, haben viele Menschen das Leben in der Sowjetunion zwar als Verhängnis empfunden, die von Gorbatschow eingeläutete Perestroika hat ihnen dann aber nicht die erhoffte Freiheit gebracht. Im Gegenteil: Dem jahrzehntelangen Staatsterror konnten die Menschen zumindest dadurch trotzen, indem sie zusammengehalten haben. Trost fanden sie in tiefgründigen Gesprächen und bei der Lektüre der großen Schriftsteller des Landes. Die Treffen der „Wohnküchendissidenten“ waren geprägt von dem sarkastischen Witz über die Zustände, von der gemeinsame empfundenen Melancholie und dem Bewusstsein, bis dahin wenigstens schlecht in diesem „entsetzlichen Staat“ gelebt zu haben. Nun, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, ist das, was ihr Leben ausgemacht hat, nicht mehr vorhanden. Der gnadenlose ökonomische Wettbewerb der Wendezeit mit seinen oberflächlichen Versprechen der Konsumgesellschaft hat genau jene Strukturen zerstört, die das Leben der Menschen bisher geprägt haben. Geradezu wehmütig erinnern sie sich an die alte Zeit zurück, die noch nicht bestimmt war von den politischen Wirren in Armenien, Abchasien und Tadschikistan. Stalin gilt vielen – v. a. der jüngeren Generation - wieder als großer Staatsmann. Dieser Wehmut stehen die Berichte der Menschen gegenüber, die in ihren Erinnerungen vor die Zeit von 1991 zurückgreifen, die den Krieg, den Stalinismus und die ideologischen Repressionen thematisieren und an die menschenverachtenden Zustände in den Gulags erinnern.
Didaktische Hinweise
Auch wenn es sich bei Swetlana Alexijewitsch' „Secondhand-Zeit“ um ein faszinierendes Zeitzeugnis des 20. und 21. Jahrhunderts handelt, dürfte der von Ganna-Maria Braungardt aus dem Russischen übersetzte Roman für Schülerinnen und Schüler sehr schwer zu lesen sein. Das liegt nicht nur an der Länge des Buchs, sondern auch daran, dass man sich als Leser in der Fülle der zur Wort kommenden Stimmen immer wieder verliert. Ohne nähere Kenntnis des historischen Hintergrunds beansprucht das Buch ein sehr hohes Maß an Konzentration und Durchhaltevermögen.
Gattung
- Romane
Eignung
in Auszügen geeignetAltersempfehlung
Jgst. 11 bis 13Fächer
- Deutsch
- Geschichte
- Sozialkunde/Politik und Gesellschaft
Erscheinungsjahr
2013ISBN
9783446241503Umfang
570 SeitenMedien
- Buch