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Mathias Enard: Straße der Diebe

Besprechung

Lakhdar ist ein junger Mann aus Tanger, einer Stadt zwischen Afrika und Europa. Drei Teile hat der Roman des Autors von „Zone“ (2008), der immer wieder erzählt, wie Kriege und Aufstände die Menschen förmlich verschlingen. Im ersten Teil, „Meerengen“, wird der junge Lakhdar, der am liebsten mit seinem Freund Bassam aufs Meer hinausschaut, mit seiner Kusine in eindeutiger Situation überrascht und unter riesigem Theater des Hauses verwiesen. Er bleibt in der Stadt, kehrt aber nie zu seiner Familie zurück, auch weil er die Aktion völlig überzogen fand. Nur durch Zufall erfährt er später, dass die Kusine bei der Abtreibung des gemeinsamen Kindes gestorben ist, was sein Schuldgefühl verstärkt. Lakhdar muss Geld verdienen und da er gern liest, vor allem Krimis, arbeitet er bei einem Buchhändler. Durch Bassam gerät er in eine islamistische Gruppe, die er wieder aus den Augen verliert, just, als das Attentat von Marrakech passiert. Er hat den Verdacht, dass Bassam zumindest daran beteiligt war. Er trifft eine Gruppe spanischer Studentinnen und verliebt sich in die Arabistik studierende Judit, die schließlich nach Barcelona zurückkehrt. Dank Facebook-Messages bleiben die beiden in Kontakt. Im zweiten Teil des Romans ist Lakhdar Angestellter einer Fährgesellschaft auf dem Mittelmeer zwischen Nordafrika und Spanien. Als diese Pleite macht, verbringen die Angestellten Wochen auf dem Schiff, weil sie kein Geld haben, um sich fortzubewegen. Schließlich findet er Arbeit in Algeciras, bei Cruz, einem Leichensammler, der die an den Strand geschwemmten toten Flüchtlinge einsammelt, wenn möglich identifiziert und ihren Familien zuführt oder, wenn eine Identifizierung unmöglich ist, anonym bestatten lässt. Dies ist eine für den jungen Mann entsetzliche Arbeit. Der Anblick der entstellten Toten und die Begleitumstände zermürben ihn. Eines Tages findet er Cruz tot vor, in einer bizarren Position, wie der „Tänzer in einem monströsen Ballett“, nimmt alles Geld, das er finden kann, und flüchtet. Nun ist er zum Dieb geworden, später wird er auch als Mörder von Cruz gesucht. Im dritten Teil, vier Monate nachdem Lakhdar Tanger verlassen hat, landet er in Barcelona, wo er in der Straße der Diebe in einer Art WG wohnt. Er trifft Judit wieder, die sich sehr verändert hat. Das liegt nicht nur an ihrem verstärkten Engagement für die Indignados, die Empörten, einer französischen Bewegung nach der Schrift des ehemaligen Widerstandskämpfers Stéphane Hessel („Indignez-vous“ / „Empört Euch!“, 2011), auch nicht daran, dass sie einen anderen Mann kennengelernt hat, sondern an einem Gehirntumor, an dem sie später erfolgreich operiert wird. Lakhdar wird als Mörder von Cruz gesucht und kann daher nur illegal in Barcelona bleiben, wo die „Empörten“ überall Aufstände anzetteln. Eines Tages kommt sein Freund Bassam mit dem islamistischen Cheikh Nouredine, der nun als reicher Führer seiner Gruppe auftritt und bald wieder abreist. Für Lakhdar gibt es immer mehr Anzeichen, dass sein Freund Bassam ein Attentat plant. Das führt ihn zu einer Tat, die seine Zukunft zerstören wird.

Didaktische Hinweise

Der Roman ist spannend, aktuell und voller Anspielungen auf das Zeitgeschehen, notabene die Bewegungen des islamischen Frühlings. Die Kommunikationsmedien und sozialen Netzwerke spielen eine große Rolle. Die Sprache ist relativ einfach, manchmal umgangssprachlich, angepasst an den Ich-Erzähler, der in Wirklichkeit nur arabisch und ein wenig französisch spricht. Daher eignet sich das Buch auch als Lektüre im Original. Die Schrift von Stéphane Hessel und die „Marseille-Trilogie“ (Zürich, Unionsverlag 2009) von Jean-Claude Izzo gehörten hier dazu.

Alle hier rezensierten Werke von Mathias Enard

Gattung

  • Romane

Eignung

als Klassenlektüre geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Französisch

Erscheinungsjahr

2013

ISBN

9783446243651

Umfang

352 Seiten

Medien

  • Buch