Abbas Khider: Palast der Miserablen
Besprechung
Kindheit und Jugend eines jungen Irakers sind von Armut und den drei Golfkriegen geprägt, er entdeckt die Literatur und landet in den Kerkern Saddams.
Shams Hussein, der Ich-Erzähler, wächst mit seiner Schwester Qamer in einem Dorf im Süd-Irak auf, das durch eine koloniale Sprachverwirrung so viel wie „Herzliche Hölle“ heißt. Seinen Vater sieht er während der acht Jahre des ersten Irakkriegs nie anders als in Uniform. Allerdings hat der Vater einen angenehmen Job, der ihm erlaubt, mehrmals die Woche nach Hause zu kommen und von Transportfahrten spannende Dinge mitzubringen wie Spielzeug oder Coca-Cola. Für die Kinder ist alles ein Spiel, zum Beispiel „Saddam jagen“. Doch als es für die Schiiten im Süden zu gefährlich wird, zieht die Familie in das sogenannte „Blechviertel“, einen illegalen Slum vor Bagdad, wo sie hoffen, den Schergen Saddams zu entgehen. Die Bombenangriffe des zweiten Irakkriegs überleben sie dort. Unter den Folgen des Embargos leidend, führt die Familie dennoch ein fast glückliches Leben. Die Mutter beginnt, als Wahrsagerin zu arbeiten und in Moscheen zu putzen. Shams gelingt es, die Schule zu absolvieren, obwohl auch er mit allerlei Gelegenheitsarbeiten wie dem Verkaufen von Plastiktüten oder Lastentragen zum Familienunterhalt beitragen muss. Noch vor dem Abitur beginnt er für Hisham, einen Buchhändler, als Verkäufer auf dem Büchermarkt zu arbeiten. Er wird zu freitäglichen Treffen einiger intellektueller Literaturkenner eingeladen, das ironisch „Palast der Miserablen“ genannt wird, und begeistert sich für das Lesen. Zu seiner älteren Schwester hat er eine sehr enge Bindung, bis diese heiratet, wegzieht und in dubiose Finanzgeschäfte gerät, die schließlich Ruf und Existenz der ganzen Familien an den Rand der Zerstörung bringen. Shams Chef, der Inhaber des Bücherstands, verkauft heimlich verbotene Schriften an die Gegner Saddams und als er das Land verlässt, übernimmt Shams nach langem Zögern diese gefährliche Aufgabe. Längst hat er diese Tätigkeit beendet, besucht die Universität und verdient Geld als Verkäufer von Zuckerwatte, als er verhaftet wird. Unter brutalsten Folterqualen verrät er das Versteck der verbotenen Schriften und die Namen der Freunde. Das grausame Ende der Geschichte erfährt man in einem zweiten Bericht Shams im Präsens, der den Roman einleitet und in kurzen Einschüben neben der Geschichte des Heranwachsens herläuft. Er ist in Isolationshaft und wird schließlich wegen der Folgen einer Analthrombose, die, wie angedeutet wird, auf den grausamen Höhepunkt der Foltern zurückzuführen ist, ins Gefängniskrankenhaus gebracht und in seiner Zelle von den vor dem Zusammenbruch des Saddam-Regimes fliehenden Wärtern ohne Essen zurückgelassen.
Didaktische Hinweise
Funktion und Wirkung der zwei Erzählebenen sind ein Thema. Wer andere Texte (erster Roman „Der falsche Inder“, 2008) von Abbas Khider kennt, entdeckt auch hier autobiographische Bezüge, wobei dieser Roman am weitesten in die Kindheit und Jugend, in den Irak und damit in die Jahre des Widerstands und der Verhaftung zurückreicht. Der historische Hintergrund der Irakkriege, die Rolle des Iran und der USA sind für das genaue Verständnis wichtig.
Gattung
- Romane
Eignung
als Klassenlektüre geeignetAltersempfehlung
Jgst. 9 bis 13Fächer
- Deutsch
- Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
- Geschichte
FÜZ
- Interkulturelle Bildung
- Kulturelle Bildung
- Werteerziehung
Erscheinungsjahr
2020ISBN
9783446265653Umfang
319 SeitenMedien
- Buch
- E-Book
- Hörbuch