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Dorothee Elmiger: Aus der Zuckerfabrik

Besprechung

Ein Buch der besonderen Art, nominiert für den Bayerischen Buchpreis 2020 und zu finden auf der Longlist des Deutschen Buchpreises.

„Aus der Zuckerfabrik” beginnt mit einem eine Buchseite füllenden Dialog, eingeleitet mit den Worten „So ungefähr: Ich gehe durchs Gestrüpp. Es tschilpen auch einige Vögel.” und der Rückfrage „Und dann?”. Das „so ungefähr” zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman (der eigentlich kein Roman ist, sondern mehr Fragment, Manuskript), denn die Leser/-innen erhalten Einblick in die Überlegungen, Planungen und Notizen der Erzählerin, die dabei ist, einen Roman zu verfassen. Als Leser/-in des Romans möchte man, wie auch der Dialogpartner, doch immer wieder fragen „Und dann?”, denn auf den 265 Seiten (+ 6 Seiten Quellen) entwickelt sich weniger eine runde Geschichte oder Romanhandlung. Vielmehr bleibt das Werk ein Sammelsurium (keinesfalls willkürlich und beliebig, aber dennoch) von Zitaten, intertextuellen Bezügen, Assoziationen, Reflexionen (auch über das Schreiben, fiktonale Erzählungen als solche):

- Ist aber die Behauptung falsch, dass du einfach nicht imstande bist, das zu tun, was man gemeinhin unter »Erzählen« versteht?

- Nein, das ist richtig.

- Was hindert dich daran?

- Na ja, es ist doch ganz einfach so, dass immer alles Mögliche geschieht, während ich da an meinem Schreibtisch sitze, ich höre die Stimmen der Leute auf dem Flur, wie sie aus der Mittagspause zurückehren, und draußen fährt ein doppelstöckiger Intercity aus der Stadt hinaus, [...] und jemand schickt mir eine Nachricht aus Antigua Guatemala, und das muss dann natürlich alles auch erzählt werden, weil das ja so die Bedingungen sind, unter denen der Text entsteht, also die Verhältnisse, in denen ich schreibe. Aber es ist mir eben ganz unmöglich, diese Dinge in ihrer Gleichzeitigkeit in den Text zu bringen. (S. 89 f.)

So anstrengend und herausforderd es für die Erzählerin scheint, Geschichten zu „erzählen”, so anstrengend und herausfordernd ist auch die Lektüre des Textes, wenn man versucht, Zitate zuzuordnen, Sinnzusammenhänge zu erkennen und Reflexionsanstöße fortzudenken und der Textmontage, der „Bastelei” (S. 246) zu folgen.

Didaktische Hinweise

Sicherlich kein Werk, dass sich als Ganzschrift für die – wenn überhaupt – Oberstufe eignet. Und doch einer Betrachtung im Unterricht lohnend. Weil das Buch anders ist, weil es sich auf mind. zwei Nominiertenlisten findet, weil es zeitgenössische Literatur ist, die in den Feuilletons der Zeitungen besprochen und diskutiert wird.

Was heißt es, Geschichten zu erzählen, zu planen, Aufzeichnungen zusammenzufügen, wie wird Fiktion konstruiert, welche Rolle spielen Erinnerungen, was sind die Erwartungen der Leser/-innen? Dorothee Elmigers Buch bietet definitiv genug Anlässe zur Auseinandersetzung mit poetologischen Fragestellungen (z. B. auch über die Gattung – ist es ein Roman, ein Romanfragment, ein Romanessay, ein Manuskript?). Die Beschäftigung mit dem Text kann vielleicht auch deshalb spannend sein, weil ein wenig die Begriffe dafür fehlen, was hier literarisch passiert (am ehesten erinnert die Konstruktion an eine Art von stream of conciousness) und man nur beschreiben und sich annähern kann, was den Text ausmacht:

„Gefordert wird ein aktiver Leser, der die Bereitschaft mitbringt, im Textgebüsch selber eine geheime Ordnung der Welt zu rekonstruieren. Aus der Zuckerfabrik ist somit vor allem anderen eine Übung zur Hingabe: an die rätselhaften und immer wieder mirakulösen Verstrickungen des Lesens.” (Die ZEIT 36/2020). 

 

Gattung

  • Romane

Eignung

in Auszügen geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch

FÜZ

  • Kulturelle Bildung
  • Sprachliche Bildung

Erscheinungsjahr

2020

ISBN

9783446267503

Umfang

265 Seiten

Medien

  • Buch