E. L. Doctorow: Homer & Langley
Besprechung
Doctorows Romane über zwei Brüder in New York beruht auf einer wahren Geschichte (auf die Hintergründe geht er in einem Interview näher ein) und machte beim Schreiben mit dichterischer Freiheit daraus eine kluge und warmherzige Erzählung: Homer ist der blinde Bruder, seine Musikalität hilft ihm, dieses Schicksal zu ertragen. Sein Bruder Langley kommt versehrt aus dem ersten Weltkrieg und ist gezeichnet von den Gasangriffen. Die beiden Brüder verfügen nach dem Tod der Eltern über ein repräsentatives Haus und ein beträchtliches Vermögen, aber sie und ihr Haus verkommen ganz allmählich, und ganz allmählich ziehen sie sich von ihrer Gesellschaftsschicht und der sonstigen Welt zurück. Dennoch gelingt es Doctorow, das Einbrechen der Zeitläufe vom ersten Weltkrieg bis zu den Achtundsechzigern auch in diesen abgeschiedenen Haushalt darzustellen. So geben die Brüder Teegesellschaften für die deklassierte Oberklasse während der Depressionszeit, sie schließen Freundschaft mit dem Neffen der schwarzen Köchin, der dann im 2. Weltkrieg fällt, eine Weile beherbergen sie Hippies, die sich mit den exzentrischen Junggesellen und ihrem mehr und mehr zugemüllten Haus identifizieren können.
Der Romane ist natürlich auch eine Messiegeschichte, unvorstellbar der Unrat, den Langley anschleppt. Langley ist ein grimmiger Menschenfreund oder -feind, für sein Projekt einer endlich allgemeingültigen Zeitung schleppt er unaufhörlich Zeitungen an, die er auswertet und stapelt. Im Speisezimmer steht ein Ford T, Klaviere, Schreibmaschinen, Waffen, Armeekleidung, Kunstwerke, Bücher und Schrott werden angehäuft. Eine Weile malt er, auch dazu sind Utensilien nötig, die nie mehr weggeräumt werden. Seine beißend kritischen Kommentare über Politik, die Menschen und sein Land gehören zu den Highlights des Buches. Dabei liebt er seinen blinden Bruder, diese Liebe ist freilich manchmal recht brachial, wenn sich Homer z. B. ausgeklügelten Diätvorschriften unterwerfen muss, mit denen Langley seine Blindheit heilen will. Trotz des traurigen Endes der beiden in ihrem Haus ist das Buch mit seiner hintergründigen Ironie, die Homer als Ich-Erzähler durchgehend beibehält, auch ein Vergnügen.
Didaktische Hinweise
Das Buch ist geeignet als Leseangebot für die Schulbibliothek. Auszugsweise kann es für die literarische Textanalyse und thematisch in mehrfacher Hinsicht für schriftliche und mündliche Arbeiten verwendet werden (Referat, Seminararbeit, Portfolio, Projekt). Themenvorschläge (auch fächerübergreifend) im Rahmen eines Portfolios/Projekts:1)Informieren Sie sich über die historischen Brüder Collyer und vergleichen Sie den Fall mit Doctorows Romane. Erklären Sie die Abweichungen. (Deutsch/Geschichte)2)Erklären Sie das Phänomen des „Messies“ und wenden Sie Ihre Erkenntnisse auf den vorliegenden Romane an. (Psychologie/Deutsch)3)Welche Stationen in der amerikanischen Geschichte spielen in dem Buch eine Rolle. In welches Licht rückt der Verfasser sie? (Geschichte/Englisch)4)Der Romane ist auch ein Romane über das Verhältnis zweier Brüder. Charakterisieren Sie das Verhältnis der beiden und vergleichen Sie es mit anderen Romaneen über Geschwister, z. B. Robert Walser: Geschwister Tanner, Peter Härtling: Große, kleine Schwester; Gerbrand Bakker: Birnbäume blühen weiß (Deutsch/Psychologie)5)Suchen Sie weitere Bücher und Filme über Sonderlinge und Exzentriker und diskutieren Sie die dargestellten Charaktere und ihre Wirkung auf die Umwelt, z. B. als Filme Carrington: Séraphine, als Bücher Patrick Süskind: Geschichte von Herrn Sommer, Edith Sitwell: Mein exzentrisches Leben (Deutsch/Psychologie)
Gattung
- Romane
Eignung
in Auszügen geeignetAltersempfehlung
Jgst. 11 bis 13Fächer
- Deutsch
- Englisch
- Geschichte
- Psychologie
FÜZ
- Alltagskompetenz und Lebensökonomie
- Kulturelle Bildung
- Werteerziehung
Erscheinungsjahr
2011ISBN
9783462042986Umfang
219 SeitenMedien
- Buch