Amir Baitar; Henning (Co-Autor) Sußebach: Unter einem Dach. Ein Syrer und ein Deutscher erzählen

Besprechung

Der Journalist Sußebach hat mit seiner Frau und seinen beiden Kindern beschlossen, den 24-jährigen Syrer Amir aufzunehmen. Von diesem Experiment berichten Gastgeber und Gast abwechselnd in einem Buch. Für beide Seiten ist es nicht leicht: Die Sußebachs sind nicht religiös, ihr Gast betet fünfmal am Tag, nutzt die Mekka-App, trinkt keinen Alkohol (und auch nicht aus Gläsern, in denen jemals solcher war) und hat ein gelinde gesagt sehr traditionelles Rollenbild. Umgekehrt sind für Amir deutsche Einladungen mit Nudeln undenkbar oder die Tatsache, dass jeder im Restaurant für sich selbst bezahlt. Auch der Umgang der Deutschen mit ihren Kindern ist für ihn befremdlich, allzu nachgiebig, verwöhnend, allzu sehr auf Augenhöhe. Politisch erscheint der Flüchtling der Gastfamilie manchmal sehr konservativ, fast schon rechts. Trotz all dieser Schwierigkeiten zeigt das sehr anrührende, offene und überzeugende Buch auch den gegenseitigen Respekt und die wachsende Zuneigung und vor allem eine allmählich gelingende Integration, die allerdings beiden Seiten viel abverlangt. Die Konflikte und Unterschiede werden nicht beschönigt, die (freiwillige) Leistung der Gastfamilie nötigt Bewunderung ab, das gilt ebenso für das, was der geflüchtete Amir an Integrationswillen in einer wirklich ganz fremden Umgebung gezeigt hat.