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Josef Bierbichler: Mittelreich

Besprechung

Unschwer ist der Gasthof „Seewirt“ als der Ambacher „Fischmeister“ am Starnberger- früher Würmsee zu identifizieren. Wenn man ihn und den Schauspieler Bierbichler nicht kennt, versteht man den Romane auch, aber die Gegend und den Menschenschlag sollte man erlebt haben. Wortgewaltig und ziemlich prätentiös erzählt Bierbichler in seinem ersten Romane angefangen 1884, dann vom Ersten Weltkrieg bis 1984 die Geschichte der Seewirte, der Familie und des Gesindes. Pankraz, mehr der Kunst zugeneigt, wird widerwillig Seewirt, weil der Bruder schwer verletzt und behindert aus dem Krieg zurückkommt. Pankraz, der Mitläufer, der den üblen Stammtischtiraden der Dorfnazis nicht Einhalt gebietet, muss selbst in den Zweiten Weltkrieg ziehen. Er kommt wieder, heiratet und nimmt sein Leben wieder auf. Aber erst ein zerstörerischer Sturm, bei dem ihn beinahe aller Mut verlässt, bewirkt, dass Pankraz sich mit seinem Beruf und seiner Familie identifiziert und sich am Ende doch noch zu einem „brauchbaren Kleinunternehmer und Familienvater“ entwickelt. Als sein Sohn Semi erwachsen wird, wechselt die Erzählung zwischendurch in die Ich-Form, man versteht einen autobiografischen Zusammenhang zu dem Jungen, der in einem der Kloster-Internate, in die das Wirtsehepaar in eigenartiger Kälte alle Kinder gibt, missbraucht wird und in der Theater-AG mitspielt. Der Wirt bleibt in einer verstummten Ehe allein zurück. Er beobachtet misstrauisch, wie sich die Gäste verändern, immer mehr golfspielende Städter und Hippies versauen ihm seine ländliche Traditionswirtschaft, die es schon nicht mehr gibt, seit die Leute aus der Stadt kommen, erst Sommerfrischler und Künstler, dann Ausgebombte, jetzt Neureiche. Semi wird die Wirtschaft nicht übernehmen. In einer etwas erzwungen wirkenden Szene am Schluss sagt er sich kurz vor dessen Tod von seinem Vater los, was in diesem die Erinnerung an den Mord an jüdischen Kindern auslöst, an dem er zusammen mit einem Kameraden auf dem Rückzug aus der Normandie beteiligt war.

Bierbichler erzählt theatralisch, oft in wilden Hassreden gegen Nazis, wobei er die political correctness übertreibt („Konrad hieß der neue Adolf“), mokiert sich über Dorfpolitiker und Wichtigtuer und breitet sich in oft ziemlich grausligen und unappetitlichen Schilderungen aus. Sexualität kommt nur in obszöner und erotikferner Gewaltsamkeit vor. Dazwischen gibt er den seriösen Historiker und schwadroniert in Gesellschaftsanalysen, die im gegebenen Zusammenhang etwas merkwürdig und unnötig wirken.

Didaktische Hinweise

Die Behandlung des Romanes im Unterricht sollte ihn in das Genre des Heimatromanes einordnen und den Einflüssen von Ganghofer, Ludwig Thoma und vor allem Oskar Maria Graf nachspüren. Letzterer hatte im nahe gelegenen Berg seine Kindheit und Jugend verbracht, bevor er sich der Münchner Bohème anschloss. Es lassen sich zahlreiche historische Hintergründe erarbeiten, einzelne Passagen könnten in Theaterstücke umgewandelt werden. Die fächerübergreifenden Bildungs- und Erziehungsziele „Soziales Lernen“ sowie „Alltagskompetenz und Lebensökonomie“ lassen sich durch dieses Buch thematisieren.

Gattung

  • Romane

Eignung

als Klassenlektüre geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Geschichte

FÜZ

  • Alltagskompetenz und Lebensökonomie
  • Soziales Lernen

Erscheinungsjahr

2011

ISBN

9783518422687

Umfang

392 Seiten

Medien

  • Buch