Peter Handke: Zdenek Adamec
Besprechung
Dokumentarisches Theaterstück über einen jungen Mann aus dem böhmischen Humpolec, der sich mit 18 Jahren 2003 aus Protest auf dem Wenzelsplatz in Prag verbrannt hat
Handkes Stück wurde Anfang August des Corona-Jahres 2020 bei den stark eingeschränkten Salzburger Festspielen uraufgeführt. Handke überlässt dem Regisseur die schwierige Aufgabe, aus den vielfältigen Stimmen, die – ohne benannt zu werden – die Geschehnisse des Jahres 2003 kommentieren, Figuren oder Rollen zu destillieren, die bestimmten Schauspielern zugeordnet werden können („Im Verlauf der Begebenheiten werden sie noch klar werden.“ S. 8). Es stellt sich die Frage, ob es für das Lesen des Textes notwendig ist. Eher geht es um Themen: Isolation durch Computerspiele, die Frage nach der Bedeutung von Journalismus, Subjektivität der Darstellung und der Auswahl von Fakten und den „Aktualitätenhorror“ (S. 9), die Bedeutung von Tugend in einer alles andere als tugendhaften Welt. Vor allem aber geht es um Zdenek Adamec, Sohn eines Steinmetz, Computer-Nerd und Mitglied von „The Darkers“, einer Hackergruppe, die angeklagt wurde, die Stromversorgung zu sabottieren, und den Grund für seinen öffentlichen Selbstmord am 6. März 2003. Er folgte dem Beispiel des 20-jährigen Jan Palach, dessen Selbstmord als Protest gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings im Januar 1969 die Welt bewegte. Ein so konkretes Motiv wie das Palachs hatte Adamec nicht, er nannte den „Zustand der Welt“ als Grund, und doch folgten 16 andere Männer seinem Beispiel, von denen sechs starben. Ihre Schicksale gerieten im Gegensatz zu dem Palachs sogleich in Vergessenheit. Handke nennt sein Stück „Szene“ und lässt sie an einem öffentlichen, belebten Ort, in einer unbestimmten Stadt (Avila in Spanien oder Humpolec in Böhmen, „oder wo“) spielen. Die Menschen verlassen zu Beginn die Szene bis auf fünf bis acht, gemischten Alters und Geschlechts, den Autor anscheinend eingeschlossen, und beginnen das Gespräc.
Didaktische Hinweise
Ein Vergleich mit Handkes Stücken aus den sechziger Jahren ist interessant. Die historischen Hintergründe können verifiziert und chronologisiert werden. Ist es Handke gelungen, hinter die Wahrheit der Geschichte zu kommen? Welche Rolle bedeutet der letzte Satz des Abschiedsbriefs Adamecs: „Bitte macht keinen Narren aus mir!“? Die Motive der Einsamkeit, der Entfremdung und des Spiels sollten analysiert werden. Das Stück eignet sich sehr gut für ein Theaterprojekt.
Gattung
- Dramen
Eignung
als Klassenlektüre geeignet und zum VorlesenAltersempfehlung
Jgst. 10 bis 13Fächer
- Deutsch
- Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
- Geschichte
FÜZ
- Alltagskompetenz und Lebensökonomie
- Kulturelle Bildung
- Politische Bildung
- Sprachliche Bildung
- Werteerziehung
Erscheinungsjahr
10ISBN
9783518429204Umfang
71 SeitenMedien
- Buch
- E-Book