Alois Prinz: Jesus von Nazaret

Besprechung

Der einschlägig ausgewiesene Autor (Biographien u. a. über Hannah Arendt, Hermann Hesse, Franz Kafka) setzt mit diesem Jesus-Buch ein weiteres Licht. Das Wagnis, dem heutigen Leser den wohl wirkungsmächtigsten Mann der Geschichte in seiner ganzen Bedeutung attraktiv und verständlich zu vermitteln, Alois Prinz gelingt es, und zwar auf beachtlichem Niveau. Das Buch kann von jedem Erwachsenen genauso mit Gewinn gelesen werden wie von Jugendlichen! Prinz kennt sich in der Jesus-Literatur der Theologen-Zunft aus und bezieht sie immer wieder ein, greift aber auch auf literarische Verarbeitungen von Wirken und Denken Jesu zurück. Wohltuend ist der unverstellte Blick des Autors auf die zeitlos faszinierende Gestalt des Nazareners, vor allem da, wo er das Revolutionäre, überraschend Neue des historischen Jesus herausstellt: Etwa seine distanzierte Sicht der jüdischen Schwarz-Weiß-Moral, seine damals völlig ungewöhnliche, fast „moderne“ Art, mit Frauen umzugehen und auf Frauen zuzugehen, statt sie auszugrenzen; allgemein seine Sensibilität für die gesellschaftlichen Outcasts überhaupt. Prinz öffnet den Blick auf den Provokateur Jesus, der die Welt „herausfordert“. Dieser unkonventionelle Zugriff lässt den Gottmenschen und Verkünder einer neuen Ethik ebenso plastisch und „wahr“ erscheinen wie auch die Einbeziehung der sperrigen Seiten von Jesus, zu denen zum Beispiel sein manchmal rüder Umgangston gegenüber seiner Mutter Maria gehört. Ein lesens- und bedenkenswertes Buch, das auch „randständigen“ Christen wieder Appetit auf den von Jesus begründeten Glauben zu machen imstande ist, weil es auf die traditionelle Verklärung Jesu wie auch auf seine Verniedlichung verzichtet und stattdessen auf eine Erklärung des Phänomens Jesus von Nazaret setzt. Am Rande sei vermerkt, dass der Käufer des gedruckten Buchs zugleich ein E-Book erwirbt, gewiss eine Perspektive mit Zukunft.