Anca Sturm: Der Weltenexpress
Besprechung
Wo ist Jonte? – Diese Frage treibt die dreizehnjährige Flinn Nachtigall seit dem unerklärlichen Verschwinden ihres Halbbruders in einer kalten Silvesternacht vor zwei Jahren um. Wenn man wie Flinn mitten im Nirgendwo wohnt, altertümliche Wörterbuch liest und Bumerangs wirft, dann hat man es in der siebten Klasse in Fräulein Schlechterfelds Haus für Wohlergehen nicht leicht, zumal sie mit ihrem kupferfarbenen, stets zerzausten Haar und ihren heißgeliebten Holzfällerhemden und klobigen Boots so gar nicht mädchenhaft ist. Flinn vermisst Jonte sehr, ist er doch der Einzige, der versteht, wie das ist, irgendetwas zwischen Prinzessin und Wildfang zu sein. So zieht es Flinn jeden Abend an den stillgelegten Bahnhof von Weidenborstel, diesem Dorf im Niemandsland, wo selbst die Post vergessen hat, dass es dort noch Menschen mit Briefkästen gibt. Denn hier hat Jonte sich Nacht für Nacht aufgehalten, bis er in jener bewussten Silvesternacht nicht mehr nach Hause gekommen ist. Ihr einziger Hinweis ist eine Postkarte mit einem petrolfarbenen altmodischen Zug mit einer richtig alten Dampflok darauf, die er kurz nach seinem Verschwinden geschickt hat. Für Jonte ist der Bahnhof mit seinen rostigen Gleisen und den überwuchernden Büschen ein Ort zum Träumen gewesen. Und deshalb hält sich auch nun Flinn jede Nacht dort auf, in der Hoffnung, weitere Hinweise über den Verbleib ihres Halbbruders zu finden. Eines Nachts jedoch, während sie zum wiederholten Male auf die Postkarte starrt, rollt plötzlich der petrolfarbene Zug tatsächlich in den verlassenen Bahnhof ein und bevor Flinn lange überlegt, springt sie auf und fährt mit. Mit dem Betreten des Zuges eröffnet sich für Flinn eine neue Welt: Sie ist im Welten-Express gelandet, einer fahrenden Internats-Schule mit ihren ganz eigenen – magischen – Gesetzen! Diese Schule auf Rädern ist nämlich von Außenstehenden nicht zu sehen und durchquert die Länder und Kontinente dieser Welt, damit die Pfauen – so heißen die Schüler und Schülerinnen dieser Schule – in Sicherheit und Freiheit leben und lernen können. Denn der Begründer dieser Schule glaubt an ihr Potential für eine große Zukunft. Und Flinn muss sich nun als blinde Passagierin in diesem Zug behaupten. Sie findet in Fedor, Peg und Kasim zum ersten Mal Freunde, mit denen sie die magischen Geheimnisse des Weltenexpress erkundet und sich Tag für Tag bewähren muss: Dabei gerät sie immer wieder in merkwürdige Situationen, die sie vor allem der strengen Madame Florett oder der zickigen Garabina zu verdanken hat. Und dann findet sie Hinweise darauf, dass Jonte in diesem magischen Zug gewesen ist. Aber wo ist er jetzt? Sie durchsucht den ganzen Zug und findet ihn nicht. Langsam läuft ihre Zeit in dem Zug ab und sie muss sich entscheiden, ob sie gehen will oder darum kämpft, an Bord bleiben zu dürfen. Band 2 „Der Weltenexpress – Zwischen Licht und Schatten“ ist im Herbst 2019 erschienen.
Didaktische Hinweise
Der Gründer des Weltenexpress wollte mit seiner Erfindung des fahrenden Internat-Zuges den Jugendlichen an Bord die Chance gegeben, in Ruhe und Abgeschiedenheit den Glauben an sich selbst zu finden – diesen Findungsprozess hat die Autorin in ein spannende Geschichte verpackt, die Jungen wie Mädchen anspricht. Geschickt greift sie alltägliche Schulprobleme auf, die verbunden mit der Magie des Zuges dem Leser sensibel, aber auch unterhaltsam zeigen, welche Schwierigkeiten das Erwachsenwerden mit sich bringen kann. Dabei ist das Einhalten von Regel 4 – keine Nutzung von elektronisch betriebenen Geräten – noch das geringste Problem. Die Autorin bildet mit ihren verschiedenen Figuren eine Bandbreite von unterschiedlichen individuellen Eigenschaften von Jugendlichen ab, sodass diese sich sehr gut in der Geschichte wiederfinden können. Das Buch eignet sich sehr gut als Klassenlektüre für die 6. oder 7. Jahrgangsstufe.
Gattung
- Fantasy
Eignung
sehr gut als Klassenlektüre geeignetAltersempfehlung
Jgst. 6 bis 7Fächer
- Deutsch
FÜZ
- Sprachliche Bildung
- Kulturelle Bildung