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Ernst Lothar: Der Engel mit der Posaune

Besprechung

Über dem Eingang des Hauses in der Seilerstätte 10 im Zentrum Wiens bläst ein barocker Engel aus Stein die Posaune. Am Ende des Romanes wird der Engel herabstürzen, getroffen von den Steinen, die eine vom Nationalsozialismus begeisterte Meute auf ihn wirft. Bis zu diesem Ereignis im Jahr 1938 beschreibt der 1890 in Brünn geborene Schriftsteller, Jurist und Regisseur Ernst Lothar die Entwicklung der Klavierbauerfamilie Alt über drei Generationen.

Im Zentrum stehen Franz Alt und seine von ihm vergötterte Ehefrau Henriette, die sich nichts aus ihm macht, hatte sie doch vormals eine Beziehung zum Thronfolger Rudolf und zu einer glanzvolleren Welt als die verknöcherte, versteinerte, die sie in dem feuchten, alten Haus aus dem 18. Jahrhundert vorfindet, zumal nicht nur ihr Ehemann und ihre Kinder in diesem Relikt leben müssen, sondern auch seine Geschwister, Cousinen, Onkel und Tanten. Die bildschöne Henriette ist jüdischer Abstammung, aber das nimmt sie trotz mancher Stichelei ihrer missgünstigen Verwandtschaft erst am Ende ihres Lebens wahr, als ein SS-Mann sie umbringt. Bis dahin gelingen ihr kleine Fluchten aus der Enge des unwirtlichen Hauses, ein Ball bei der Fürstin Metternich, eine Affäre mit dem Grafen Traun, aus der ihre jüngste Tochter hervorgeht. Henriettes Mann fordert den Grafen Traun zum Duell und erschießt ihn dabei. Außerdem zwingt er seinen siebenjährigen Sohn Hans, Henriettes Lieblingssohn, dazu, bei dem Schusswechsel anwesend zu sein. Auf Hans wirkt dieses Erlebnis traumatisierend. Er ist ein nachdenklicher Junge, der die Musik und die Literatur liebt, unter dem strengen Drill des Gymnasiums leidet und falls in die Klavierfabrik seines Vaters eintreten will. Aber genau das muss er tun, erlebt dort einen Streik der Arbeiter mit, wird verhaftet, kommt mit Sozialdemokraten in Berührung und sieht die Welt, in der er aufgewachsen ist, zunehmend kritisch.

Didaktische Hinweise

Das Leben der Familienmitglieder ist eng mit der Geschichte Österreichs verwoben. Sämtliche Haltungen und politischen Einstellungen finden sich in der Seilerstätte 10. Während sich Hans’ jüngerer Bruder Hermann dem Nationalsozialismus anschließt und sowohl Hans’ geliebte Frau Selma vergiftet, weil sie jüdisch ist, als auch am Mord an Bundeskanzler Dollfuß beteiligt ist, schließt sich Hans nach dem Einmarsch der Deutschen dem Widerstand an. Anhand des bröckelnden, rissig werdenden Stadtpalais wird das Auseinanderbrechen des Vielvölkerstaates Österreich sichtbar. Für Schülerinnen und Schüler öffnet sich durch die Lektüre ein spannender und anschaulicher Blick auf die Geschichte. Hans ist als zurückhaltender und sensibler junger Mann sicherlich auch eine Identifikationsfigur für Heranwachsende. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das Leben Ernst Lothars, der diesen Romane im amerikanischen Exil schrieb. Der Romane erschien deshalb 1944 zunächst auf Englisch, ehe er 1946 auf Deutsch veröffentlicht wurde. Nach dem Exil war Lothar als Schriftsteller und als Regisseur am Burgtheater. Lothar starb 1974 in Wien. Der Hanser Verlag hält auf seiner Website Informationen zum Autor und eine Leseprobe bereit. Der Romane ist auch als E-Book erhältlich. Aufgrund seiner Länge und seines Preises (26,00 €) ist das Buch leider eher weniger als Klassenlektüre geeignet.

Alle hier rezensierten Werke von Ernst Lothar

Gattung

  • Romane

Eignung

in Auszügen geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Geschichte

Erscheinungsjahr

2016

ISBN

9783552057685

Umfang

544 Seiten

Medien

  • Buch