Peggy Parnass: Kindheit. Wie unsere Mutter uns vor den Nazis rettete
Besprechung
Peggy Parnass ist bekannt als Ikone der Schwulenbewegung, als Gerichtsreporterin, als Schauspielerin und politisch aktive Sängerin. Mit diesem Jugendbuch wird ihre Kindheit erzählt, die tragischer nicht sein könnte. Ihre Eltern, ein Pole und eine Portugiesin, wurden in Treblinka ermordet, sie und ihr Bruder Gady, im Buch nur „Bübchen“ genannt, wurden gerettet, weil ihre Eltern sie rechtzeitig nach Schweden geschickt haben, wo Parnass durch zwölf verschiedene Pflegefamilien gehen musste und ihr Bruder in einem Kinderheim litt. Das Ende des Krieges erlebten sie bei einem Onkel in London, wo auch ihr Bruder nach dem Krieg blieb. Parnass selbst ging zurück nach Schweden und später nach Hamburg.
Ihre Kindheitserinnerungen schrieb sie zum ersten Mal in „Unter die Haut“ im Jahr 1983, in einem Sammelband mit autobiographischen Texten anderer Autoren. Hier ruft sie sich nach und nach Erinnerungen aus ihrer Kindheit ins Gedächtnis. Hier stellt sie begeistert die Liebe zwischen ihren Eltern vor, die ihre eigene Kindheit bestimmt hat. Diese Liebe und die positiven Erinnerungen waren stärker als das Schreckliche danach. Diese Stimmung erlaubt es Parnass auch damit leben zu können, dass ihre Mutter zwar dafür sorgen konnte, dass die beiden Kinder überlebten, sie selbst aber ermordet wurde. Dass ihre Eltern kein Grab, sondern nur zwei „Stolpersteine“ vor ihrem Haus in Hamburg hatten, hat Parnass ihr ganzes Leben lang verfolgt.
Die brasilianische Künstlerin Tita do Rêgo Silva lernt Parnass in Hamburg kennen, besucht sie nach einem Unfall im Krankenhaus, freundet sich mit ihr an und begeistert sich für ihre Geschichte. Ihre Illustrationen folgen der optimistischen Darstellung der Autorin, ihre lateinamerikanische Farbigkeit und Fröhlichkeit verstärkt diese noch. Dargestellt werden schwungvolle, lockige Figuren, die mit ihren tierähnlichen Formen von der Realität abstrahieren und in märchenhafte Sphären entführen. Interessant ist auch der Entstehungsprozess des Buches: in acht Wochen wurde eine kleine Auflage im Museum der Arbeit in Hamburg-Barmbek gedruckt, erst als dieses Buch von der Stiftung Buchkunst als eines der „schönsten Bücher des Jahres“ ausgezeichnet wurde, kam in der Reihe „Die Bücher mit dem blauen Band“ ein Nachdruck heraus. Da die Holzschnitte mit der traditionellen „Technik der verlorenen Form“ hergestellt wurden, konnten dazu die Originaldruckstöcke dazu nicht mehr verwendet werden, sondern man musste alles einscannen und neu bearbeiten.„Kindheit“ ist ein Buch für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. In einfachen Sätzen erzählt es von dem Leben als Jude in Deutschland und dem Schmerz des Exils. Parnass gelingt es dabei, das Denken des Kinds wieder einzunehmen, das macht das Buch trotz des problematischen Themas auch nachvollziehbar für Jugendliche ab 12 Jahren.
Didaktische Hinweise
Natürlich eignen sich die autobiographischen Aufzeichnungen vor allem für einen fächerverbindenden Unterricht der Fächer Deutsch und Kunst. Hier könnte auch auf die komplizierte Entstehungsgeschichte des Buches eingegangen werden. Ausgangspunkt der Arbeit könnten gerade die Bilder sein mit der Frage, welches Thema sie darstellen. Die SchülerInnen werden überrascht sein, zu erfahren, wie lebenszugewandt hier das Thema „Holocaust“ dargestellt wird. Dann wäre anhand der Texte nachzuvollziehen, was diese positive Einstellung bewirkt hat.
Das Buch ist schon für 12-Jährige einzusetzen, wenn mit den Jugendlichen darüber gesprochen wird, welche Bedrohung und Gewalt hinter den positiven Bildern lauern. In älteren Klassen könnte ein Vergleich mit anderen Jugendbüchern zum Thema „Holocaust“ interessant sein, noch nie hat man in Deutschland das Thema auf diese Weise dargestellt.
Gattung
- Sachbücher
Sachbuchkategorie
- Biografien, Autobiografien, Porträts
Eignung
als Klassenlektüre geeignetAltersempfehlung
Jgst. 7 bis 13Fächer
- Deutsch
- Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
- Kunst
Erscheinungsjahr
2014, 2. Aufl.ISBN
9783596856725Umfang
80 SeitenMedien
- Buch