George Saunders: Zehnter Dezember. Stories
Besprechung
Die erste Geschichte ist in Er-Form geschrieben, spielt sich aber im Kopf eines Jungen ab, der eine Gewalttat beobachtet und in letzter Minute verhindert. Der Leser braucht eine spannende Weile, um zu verstehen, in wessen Kopf er sich gerade befindet. Die Titelgeschichte versetzt einen in einen dicken, komisch aussehenden Jungen, der sich in seiner Phantasiewelt bewegt auf einen zugefrorenen Teich zugeht, einen Mantel und schließlich dessen Besitzer entdeckt. Es ist ein todkranker Mann, der sich umbringen will, dann aber stattdessen den Jungen aus dem Teich rettet. „Die Semplica-Girl-Tagebücher“ sind Tagebucheinträge eines Familienvaters, der sich vornimmt, an jedem Tag im Leben seiner Familie zu dokumentieren, wie er versucht, mit ihnen ein gutes Leben zu führen, damit die Menschen der Zukunft wissen, wie ihre Vorfahren gelebt haben. Nach und nach bemerkt man, dass man sich bereits in der Zukunft befindet. Da die Familie sich sozial nicht von den Nachbarn und Freunden abgrenzen soll, verwendet der Vater ein unverhofftes Gewinngeld dafür, seinen Garten zum Geburtstag seiner Tochter Lilly gestalten und darin eine besondere Kette aufhängen zu lassen. Unter Aufsicht eines Arztes, immerhin, werden durch eine Stromleitung über ihre Gehirne verbundene junge Einwanderinnen aufgehängt, deren Aufgabe es ist, lächelnd im Wind zu schaukeln. Das Ganze wird begleitet durch die Selbstoptimierungspläne des Vaters, die er mit „Notiz an mich selbst“ einleitet. Eine schlimme neue Welt. Zum Glück werden die SG, wie die Mädchen genannt werden, von Unbekannten von ihrem Gestell gepflückt und können fliehen. Die Sorge des Gutmenschen und Tagebuchschreibers ist aber einzig die, dass er die Mädchen zurückgeben, andernfalls für Ersatz bezahlen muss. Als sich herausstellt, dass Tochter Eva die „Missetäterin“ war, erklärt ihr der erboste Vater, in welches Unglück sie die Mädchen gebracht habe, da sie jetzt als illegale Flüchtlinge durchs Land liefen. In dem Satz „Aber du hast doch, du hast diesen Satz gesagt, man soll kühn sein" wird die paradoxe Moral entlarvt. Eine Pervertierung der Liebe hat die „Flucht aus dem Spinnenkopf“ zum Thema. Strafgefangenen werden bei einem Experiment per Fernbedienung Gefühle und Fähigkeiten wie Wahrnehmung und Sprachvermögen über Infusionen eingegeben. Durch Glasscheiben wird das Verhalten zwischen Jeff, einem jungen Mörder und abwechselnd zwei Frauen beobachtet. Die Versuchspersonen werden danach beauftragt, sich zu entscheiden, wem sie eine Dosis Depression eingeben möchten, damit beobachtet werden kann, wie aus einer Frau im Liebesrausch eine Selbstmörderin wird. Da ist es der Mörder, der sich als human und äußerst moralisch erweist, indem er die junge Frau rettet, sich selbst das Depressionsmittel verabreicht und in den Tod geht.
Didaktische Hinweise
Kurzgeschichten als Form und ihre neuartige Umsetzung in verschiedener Hinsicht sind ein interessantes Thema für den Deutschunterricht. Die Figuren können charakterisiert werden sowie die Formen der Gesellschaft, vor deren Hintergrund sie agieren. Die „Schöne neue Welt“ Huxleys kann als Vergleichsgrundlage dienen.
Gattung
- Kurzprosa, Erzählungen, Textsammlungen, Tagebücher
Eignung
sehr gut als Klassenlektüre geeignetAltersempfehlung
Jgst. 10 bis 13Fächer
- Deutsch
- Englisch
- Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
Erscheinungsjahr
2014ISBN
9783630874272Umfang
270 SeitenMedien
- Buch