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Marie Ndiaye: Selbstporträt in Grün

Besprechung

Marie NDiaye hat 2009 für ihren Roman „Trois femmes puissantes“ den höchst angesehenen Prix Goncourt und 2010 in Berlin den Internationalen Literaturpreis erhalten. Sie ist aus Protest gegen die Politik Nicolas Sarkozys nach Berlin gezogen, wo sie mit ihrer Familie lebt. Das „Autoportrait en vert“ ist 2005 erschienen, aber erst jetzt, nach dem Erfolg von „Drei starke Frauen“ übersetzt worden. Das Selbstporträt ist illustriert mit anonymen Familienphotos und Landschaftsaufnahmen von Julie Ganzin, in denen man vereinzelt verschwommen Gestalten erraten kann und die zwar schwarz-weiß abgedruckt, aber von unzweifelhaft dominant grüner Farbe sind. Es geht auch im Text um das Ahnen und Nicht-Wissen, um das Prekäre jedes Versuchs, Menschen und gar sich selbst zu verstehen. Konkret fassbar ist eigentlich nur der Wasserstand der beunruhigend anschwellenden Garonne, an der die Protagonistin mit ihrer Familie wohnt. Der Text beginnt mit der Erscheinung einer grünen Frau hinter einer Bananenstaude. Ihre Kinder können die Frau zwar nicht sehen, aber sie werden von ihr zum Kaffee eingeladen. Auf diese Art tauchen immer wieder Figuren auf, die eigenartig unbestimmt bleiben oder ihre Rolle wechseln. Ihre beste Freundin wird die Geliebte ihres Vaters und trägt grüne Kontaktlinsen, eine Freundin namens Jenny trifft einen früheren Geliebten und dessen Frau, an deren Stelle sie plötzlich tritt. Die eigene Mutter ist eine weitere Frau in Grün, den Vater trifft sie anlässlich eines Literaturkongresses in Ouagadougou, erfährt anscheinend überrascht, dass er Architekt und fast erblindet ist.

Familienmitglieder tauchen auf und verschwinden wieder. Das Buch endet damit, dass die Erzählerin in ihrem Heimatort La Réole durch die überflutete Landschaft fährt und sich fragt, ob nicht die Garonne eine Frau in Grün ist. Ein Selbstporträt gibt es als literarisches Genre zu Recht nicht, es ist schon schwer genug sich selbst als Bild darzustellen. NDiaye sagt trotz einiger unverkennbarer Anspielungen auf ihr reales Leben eher etwas über die Unmöglichkeit eines Selbstporträts im Sinne einer eindeutigen Charakterisierung aus.

Didaktische Hinweise

Die Übersetzerin Claudia Kalscheuer ist für ihre Arbeit mit vielen Preisen ausgezeichnet worden. Dieser relativ kurze Text eignet sich zu einer Analyse der literarischen Übersetzung. NDiayes Romanfiguren aus „Drei starke Frauen“ könnten mit der Protagonistin des Selbstporträts verglichen werden: auch in dem großen Romane sind die Figuren miteinander durch kaum erkennbare Fäden verknüpft und bleiben als Individuen manchmal merkwürdig verschwommen. Die fächerübergreifenden Bildungs- und Erziehungsziele „Soziales Lernen“ sowie „Werteerziehung“ lassen sich durch dieses Buch thematisieren.

Alle hier rezensierten Werke von Marie Ndiaye

Gattung

  • Romane

Eignung

in Auszügen geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Französisch

Erscheinungsjahr

2011

ISBN

9783716026618

Umfang

121 Seiten

Medien

  • Buch