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Marie Lu: Das Spiel ist eröffnet / Warcross Bd.1

Besprechung

Pageturner für Mädchen, der trotz Aktion, Spannung und Romantik auch zum Nachdenken anregt

Die Welt, in der die 18-jährige Emika Chen lebt, ist verrückt nach Warcross, einem Online-Game. Der mittlerweile weltberühmte und milliardenschwere Erfinder Hideo Tanaka hat dafür Brillen und Kontaktlinsen entwickelt, die ihrem Träger auch im Alltag virtuelle Markierungen und Projektionen liefern. So kann man sich für Fahrten in Robocars eine andere Umgebung projizieren oder von Personen deren Namen und aktuelles Level in Warcross anzeigen lassen. Emika selbst hat wenig Zeit zum Spielen, sie muss sich im teuren New York alleine als Kopfgeldjägerin und Hackerin durchbringen. Als ihr aber die Schulden über den Kopf wachsen, wagt sie einen Hack: Sie versucht, im Warcross-Eröffnungsspiel ein Power-up zu stehlen, welches man gut verkaufen kann. Der Diebstahl gelingt, doch Emikas Identität wird enttarnt. Der Entwickler des Spiels selbst nimmt mit ihr Kontakt auf. Anders als erwartet, verklagt er sie aber nicht, sondern engagiert sie. Sein Spiel ist nämlich wiederholt erfolgreichen Hackerattacken „Zeros“ ausgeliefert, der das Spiel und seinen Erfinder vernichten will. Emika soll ins Spiel eingeschleust werden, soll die Identität Zeros herausfinden und seine Angriffe frühzeitig blockieren. Emika nimmt an. Sie erledigt ihren Job gut. Dabei lernen sich auch Hideo und sie näher kennen. Das schon fast klischeehafte Setting nimmt gegen Ende nochmals eine überraschende Wendung: Durch Hideos neue Erfindung ist plötzlich gar nicht mehr klar, wer hier aufgehalten werden muss und der Bösewicht ist.

Warcross lässt Mädchen träumen: Emika ist eine intelligente, starke Kämpferin. Als Kopfgeldjägerin ist sie schnell und mutig, als Hackerin zeigt sich, wie versiert sie auch im digitalen Bereich ist. Der reichste Mann der Welt verliebt sich in sie und sie ist nahe daran, einen Verbrecher dingfest zu machen. Und doch hinterfragt sie Hideos neue Erfindung und nimmt damit in Kauf, alles gerade Gewonnene aufzugeben. Er hat eine neue Technik erschaffen, mit deren Hilfe er durch einen Algorithmus das Verhalten der Menschen beeinflussen kann:  

„Ich kann 90 Prozent der Bevölkerung von Kriminalität befreien, sodass das Gesetz sich nur auf die verbliebenen zehn konzentrieren muss.“ „Du meinst wohl, du kannst 90 Prozent der Bevölkerung kontrollieren.“ „Die Menschen können doch trotzdem normal weiterleben, ihre Träume verwirklichen, ihre Fantasiewelten genießen – dem stehe ich ja nicht im Wege. Sie können alles tun, was sie wollen, solange es sich nicht um ein Verbrechen handelt. Abgesehen davon ändert sich nichts für sie. Warum also nicht?“ Kurz gerate ich ins Zweifeln, ich bin hin- und hergerissen. Ich denke an New York, an meinen Job als Kopfgeldjägerin, der nur deshalb existierte, weil die Polizei nicht mit den steigenden Kriminalitätsraten in der Stadt mithalten kann. Und überall anders ist es genauso. „Sie können alles tun, was sie wollen, solange es sich nicht um ein Verbrechen handelt. Abgesehen davon ändert sich nichts für sie. Außer dass sie ihre Freiheit einbüßen. Und das ändert alles.“ (S. 399 f.)

Didaktische Hinweise

Weil Jungen ganz gerne eine männliche Identifikationsfigur haben, eignet sich „Warcross“ durch die weibliche Ich-Erzählerin wohl eher in Mädchenklassen als Klassenlektüre – da aber sehr gut.

So kann in der Klasse eine ethische Diskussion über die verschiedenen Blickwinkel auf derartige Videospiele begonnen werden: Einerseits gibt es professionelle Spieler, welche den Spielerberuf als Lebensunterhalt ausüben. Andererseits gibt es die verlorenen Existenzen, welche durch das Spiel in eine Schuldenfalle geraten und sogar ihr Leben aufgrund eines suchtähnlichen Verhaltens aus dem Blick verlieren. Und schließlich gibt es die problematische Diskussion, wie weit ein solches Spiel die Realität und das Leben aller Menschen beeinflussen darf.

Eine Parallellektüre mit Urzula Poznanskis „Erebos“ bietet sich durchaus an, einem Roman, der mögliche Auswirkungen auf die Realität aus gegenteiliger Sicht aufzeigt, nämlich Menschen zu gewalttätigen Handlungen aufzufordern.

Sollte der Roman für eine Klassenlektüre in einer gemischten Klasse in Erwägung gezogen werden, bietet sich die Methode der Gruppenlektüren an: Hierfür stellt die Lehrkraft eine Liste möglicher Lektüren zusammen (ggf. natürlich ergänzt um Vorschläge der Klasse), die unterschiedliche Themen, Stile, Schwierigkeitsgrade, Identifikationsfiguren und Längen berücksichtigt. Die Schülerinnen und Schüler wählen aus dieser Liste drei Bücher aus. Auf dieser Grundlage werden Kleingruppen gebildet, die dann gemeinsam an einem Buch arbeiten (ca. drei bis fünf Jugendliche pro Gruppe). Mögliche Arbeitsaufträge für eine Gruppenlektüre finden sich im Zusatzmaterial.

Unabhängig von der Klassenzusammensetzung können Auszüge (vgl. oben) gut als Einstieg in Diskussionen zu den Themen Grundrechte, Eingriffe ins Privatleben oder digitale Überwachung dienen.
Durch seine mitreißende Erzählweise vermag das Buch Jugendliche für Literatur zu begeistern. Daher sollte es auf jeder Referatsliste und in jeder Schulbibliothek Aufnahme finden.

Gattung

  • Romane

Eignung

für die Schulbibliothek empfohlen

Altersempfehlung

Jgst. 8 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre

FÜZ

  • Medienbildung/Digitale Bildung
  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2018

ISBN

9783785587720

Umfang

416 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book