Helga Weiss: Und doch ein ganzes Leben. Ein Mädchen, das Auschwitz überlebt hat
Besprechung
Helga Weiss wurde 1929 in Prag geboren. Ab 1938 schreibt sie Tagebuch: Als die Nazis in Prag einmarschieren, ist dies der Anfang vom Ende: Die jüdische Familie Weiss erlebt Demütigung, Ausgrenzung, Verfolgung bis hin zur Deportation nach Theresienstadt, wo Mutter und Tochter vom Vater getrennt werden. Helga und ihre Mutter kommen schließlich nach Auschwitz, dann nach Freiberg und Mauthausen. Sie überleben, nicht aber der Vater. Das Tagebuch, das authentisch (nur wenig bearbeitet) das Grauen, das Entsetzen aus kindlich-jugendlicher Perspektive schildert, endet nach der Befreiung. Viele der beschriebenen Ereignisse sind dem Leser bekannt, etwa die heuchlerische Kampagne der Nazis, Theresienstadt zu einer Vorzeigestadt für die internationale Kommission zu machen, ebenfalls die Brutalität der Wachleute, der Hunger und die Krankheiten. Bemerkenswert und berührend an diesem Buch aber ist das lebendige, direkte Berichten eines klugen, tapferen Kindes, das sich als genauer Beobachter erweist und mit seinen Zeichnungen, die im vorliegenden Band abgedruckt sind, das fürchterliche Geschehen auch noch ganz persönlich dokumentiert. Familienfotos bringen die Schreiberin des Tagebuchs und ihre Verwandten dem Leser noch näher. Helga Weiss ist heute eine anerkannte Künstlerin. Ein Interview mit ihr am Ende des Buches ermöglicht eine nochmalige Reflexion des Textes. Das Buch (dem Gegenstand angemessen optisch sehr ästhetisch und sorgfältig ausgestattet) ist als Bericht einer Zeitzeugin von großer Bedeutung. Mit seiner kindlich-schlichten, aber immer überzeugenden Perspektive ergänzt es die Beschreibungen des Holocausts in den Büchern von Anne Frank, Imre Kertész, Primo Levi oder Ruth Klüger.
Didaktische Hinweise
Helga Weiss' Tagebuch, aus dem Tschechischen übersetzt von Elke Cermàkovà, eignet sich als Lektüre sowohl für jüngere Schülerinnen und Schüler als auch für Erwachsene und kann in Deutsch, Geschichte, Ethik und Religion eingesetzt werden, nicht zuletzt um gegen ein Aufleben des nationalsozialistischen Rassenwahns zu immunisieren. Besonders anrührend und somit evtl. zum Vorlesen und Kommentieren geeignet erscheinen folgende Textstellen: S. 31 ff.: Helga beschreibt die Vorbereitungen der jüdischen Familien für den Abtransport. In der Tasche ihrer Freundin Eva liegen Puppen mit eigenen Schlafsäcken und Kleidern mit Transportnummern. Eva hofft, dass sie so nicht verloren gehen werden. S. 26 ff.: Helga beschreibt, dass ihr Vater sie begleitet, als sie zum ersten Mal mit dem Judenstern in die Schule geht, weil er Angst hat, ihr könnte deshalb etwas zustoßen. Helga beschreibt die Versuche der Kinder, sich aus dieser neuen Demütigung nichts zu machen. S. 61 ff.: Helga beschreibt, wie das Wiedersehen mit ihrem Vater in Theresienstadt nicht zustandekommt, weil ihr Papa unfähig ist, etwas Verbotenes zu tun, was das Kind kritisch, aber liebevoll anmerkt.
Gattung
- Kurzprosa, Erzählungen, Textsammlungen, Tagebücher
Eignung
als Klassenlektüre geeignetAltersempfehlung
Jgst. 8 bis 13Fächer
- Deutsch
- Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
- Geschichte
Erscheinungsjahr
2013ISBN
9783785724569Umfang
223 SeitenMedien
- Buch