Regine Stokke: Gegen die Angst
Besprechung
Es gibt wohl Kräfte in uns, die einen Menschen gerade in Augenblicken höchster Gefahr und Gefährdung über sich hinauswachsen und zu einem weithin sichtbaren Leuchtzeichen werden lassen. Dieses unglaubliche Buch, eine Art Tagebuch (2008-2009) einer zum Tod durch Leukämie „verurteilten“ jungen Norwegerin, ist eines der bewegendsten Beispiele dafür.
Die lebensfrohe Regine erfährt plötzlich als Siebzehnjährige, dass sie schwer krebskrank ist. Von da an bestimmen Krankenhausaufenthalte, Chemotherapie, Bluttransfusionen und viele andere Versuche, der Krankheit Herr zu werden, ihr Leben – mit wechselnden Ergebnissen; die Gefahr zu sterben lauert ständig hinter allem. Todeserwartung und Überlebenswille ringen in Regine miteinander. Da beginnt sie einen Blog zu schreiben und erfährt dadurch neben dem Rückhalt durch ihre Familie und ihre Freundin eine Fülle an Zuspruch und Trost. In kurzer Zeit nimmt das ganze Land an ihrem Schicksal teil. Das hilft ihr weiter durchzuhalten; sie selbst kann durch ihre Blogs den Menschen ihre Gefühle mitteilen und die Augen öffnen für die Brüchigkeit der menschlichen Existenz.
Als Regine bereits dem Unausweichlichen mehr und mehr ins Auge sehen muss, ermöglicht ihr die landesweite Solidarität z. B. den heißersehnten Besuch eines Live-Konzerts auf einem Festival in Lillehammer, zu ihrem 18. Geburtstag erhält sie von über 1300 Bloggern Glückwünsche und Zuspruch. Dies alles gibt ihr immer wieder Hoffnung und Durchhaltekraft, bis sie sich schließlich doch der Krankheit geschlagen geben muss.
Ihr letzter Eintrag datiert vom 1. Dezember – die Familie hat ihr zuliebe Weihnachten einen Monat früher, am 24. November, gemeinsam mit der Todkranken gefeiert, sozusagen als „Abschiedsfest“. Von entsetzlichen Schmerzen gequält nimmt sie den Todeskampf auf: Fast 7000 Menschen antworten auf ihren letzten Blog und sind „bei ihr“. Regine stirbt am 3. Dezember. Ihre letzten Worte an die Mutter („Hör auf zu nerven!“) belegen ihre souveräne Kraft. Dennoch: Die Mutter hat in diesem ergreifenden Buch das letzte Wort. Bei aller Trauer und Verzweiflung schwingt auch Stolz auf die großartige Tochter mit und verleiht dem unbegreiflichen Tod doch so etwas wie einen tieferen Sinn.
Der ganz in Schwarz eingeschlagene Band berührt durch seine Texte, Dokumente und Bilder, darunter viele Fotos und Gedichte Regines, auch den „abgebrühten“ Erwachsenen zutiefst. Auf jugendliche Leser (von 14 Jahren aufwärts) dürfte er wahrhaft aufwühlend wirken.
Didaktische Hinweise
Im Unterricht ließe sich die positive Kraft des Internets und der Jugendkultur aufzeigen. Das Buch ist eine Fundgrube für alle möglichen Fächer wie z. B. Biologie, da einschlägige Fragen aufgeworfen und beantwortet werden: „Was ist eine Knochenmarkspende?“, „Wie spendet man Stammzellen?“, „Welche Krebstherapien gibt es?“ Auch religiöse und ethische Fragen nach dem Warum, nach dem Sinn des Lebens, nach dem Umgang mit Leiden und Krankheit können diskutiert werden. Im Fach Deutsch sind die lyrischen Texte Regines ergiebig. Die Schüler sollen erkennen, dass sich Texte und Bildmaterial oft komplementär ergänzen: Die Fotos zeigen immer wieder die fröhlich-unbeschwerte Regine bzw. eine junge Frau, die mit der Krankheit, etwa der Kahlköpfigkeit als Folge der Chemotherapie, fast souverän umgehen kann. Viele der Antworten auf Regines Blog-Einträge sind abgedruckt, berührende Zeugnisse einer tiefen Mitmenschlichkeit, die Einblick in die Seelenlage einer Totgeweihten geben und Grundlage für Diskussionen im Unterricht sein können. Indem Regine sich nicht aufgibt, ist sie für immer mehr Menschen Vorbild und Hilfe. Eine ihrer letzten schonungslosen Zustandsbeschreibungen bewirkt noch Hunderte von Internetkommentaren. Hier könnte man ebenfalls ansetzen und die Schüler motivieren, selbst schriftlich Stellung zu Regines Einträgen zu nehmen.
Gattung
- Sachbücher
Sachbuchkategorie
- Biografien, Autobiografien, Porträts
Eignung
als Klassenlektüre geeignetAltersempfehlung
Jgst. 9 bis 13Fächer
- Biologie
- Deutsch
- Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
- Gesundheitserziehung
- Medienerziehung
- Philosophie
- Psychologie
Erscheinungsjahr
2012ISBN
9783789147456Umfang
365 SeitenMedien
- Buch