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Jenny Erpenbeck: Aller Tage Abend

Besprechung

Die Autorin hatte ihr Debüt 1999 mit „Geschichte vom alten Kind“. In „Heimsuchung“ (2008) verwebt sie zeitgeschichtlichen Hintergrund mit Fiktionalem. So auch hier: in Galizien stirbt 1898 ein wenige Monate altes Kind plötzlich und ohne erkennbaren Grund. Das erste Kapitel erzählt nicht nur vom Schmerz und den Schuldgefühlen der Mutter und den Vorwürfen des Vaters, sondern auch von der Großmutter, einer galizischen Jüdin, deren Mann im Ghetto buchstäblich vor ihren Augen zerhackt wurde, und deren Eltern. Von der Großmutter stammt das Motto und der Titel des Romanes: „Am Ende eines Tages, an dem gestorben wird, ist noch lange nicht aller Tage Abend.“ Dann ein Kunstgriff: mit „Hätte ...“ beginnt das erste „Intermezzo“, in dem die Geschichte weiter erzählt wird, so wie es hätte weitergehen können. Es gibt fünf Kapitel, die jeweils mit dem Tod der Frau am Ende eines Lebensabschnitts enden, worauf in einem „Intermezzo“ alle Umstände des Todes so geändert werden, dass sie weiterlebt. Nur auf den letzten Teil, in dem sie, gerade 90 Jahre alt geworden im Pflegeheim die Wende 1989 erlebt, folgt nichts mehr, das Leben ist zu Ende. Fast ein ganzes Jahrhundert, Kriege, Totalitarismus und Judenhass erlebt Frau Hoffmann. Am Ende versinkt sie in beginnende Demenz, nur zurück kann sie noch schauen und am Rande ihre Altersheimgenossen betrachten. „Weißt du, sagt sie, ich habe Angst, dass alles verlorengeht – dass die Spur verlorengeht.“ Das ist einer der letzten Sätze, die sie ihrem Sohn mitteilt.

Didaktische Hinweise

Ein hervorstechendes Merkmal des Romanes ist die kunstvolle Erzählweise. Jedes der fünf Kapitel ist anders geschrieben. Breite epische Passagen im Kriegskapitel, kurze, manchmal nur drei Zeilen lange Absätze im DDR-Kapitel, Montagetechnik, Innerer Monolog und erlebte Rede im letzten Teil, wo sich der Geist der Protagonistin langsam verabschiedet. Dem Motiv der alten Goethe-Ausgabe, das sich durch das ganze Buch zieht, kann nachgeforscht werden. Es gibt autobiografische Elemente, besonders die Großeltern der Autorin betreffend, Fritz Erpenbeck und Hedda Zinner, beide als Kommunisten vor den Nazis geflohen und später in die DDR zurückgekehrt. FÜEZ: wertvolle Sprache bewerten, histor, Zusamenhänge herstellen, Empathiefähigkeit

Alle hier rezensierten Werke von Jenny Erpenbeck

Gattung

  • Romane

Eignung

als Klassenlektüre geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Geschichte

Erscheinungsjahr

2012

ISBN

9783813503692

Umfang

283 Seiten

Medien

  • Buch