Gila Lustiger: Die Schuld der anderen

Besprechung

Verpackt in einen Kriminalroman legt die Autorin eine beklemmende Gesellschaftsanalyse Frankreichs in den 80er-Jahren vor, aber auch das heutige Frankreich mit dem zunehmenden Antisemitismus, den Problemen der Banlieues, der Arbeitslosigkeit etc. wird thematisiert. Marc Rappaport ist ein bekannter Journalist, berüchtigt für seine Hartnäckigkeit und seinen Gerechtigkeitssinn. Sein Vater ist ein jüdischer Intellektueller, seine Mutter stammt aus reichem französischen Haus. Marc gehört also zur guten Gesellschaft, seine jüdische Identität ist allerdings dem anderen Teil der Familie suspekt. Er selbst ist eine schwierige Persönlichkeit, seine Beziehungen zum geliebten Großvater und der anstrengenden Freundin sind in die Geschichte verwoben und machen sie zusätzlich interessant. Ausgangspunkt ist der nach dreißig Jahren durch eine DNA-Analyse angeblich aufgedeckte Mord an einer jungen Prostituierten. Marc erscheint diese Lösung höchst unwahrscheinlich, und er kniet sich in den Fall hinein. Tatsächlich steckt viel mehr dahinter, die Spur führt ihn in die Provinz zu einem Chemieskandal, bei dem krebserregende Stoffe mit Wissen und Rückendeckung von Wirtschaft und Politik immer weiter verwendet wurden, aus Wettbewerbsgründen und zum Erhalt von Arbeitsplätzen. Missliebige Querulanten wurden beseitigt, die Korruption blüht, und die Schuldigen sind in Marcs Fall nicht nur die anderen, sondern die Schuld führt sogar in seine eigene Familie. Die Story beruht auf einem wahren Fall, und die Autorin will denen, für die sich niemand interessiert, eine Stimme geben. Kritisch hinterfragt wird die Ära Mitterand, die Verflechtung von Politik und Wirtschaft, die Gleichgültigkeit gegenüber dem einzelnen Menschenleben. Ein wirklich interessantes, kluges und dabei noch unterhaltsames Buch. FÜZe: Politische Bildung, Interkulturelle Bildung