Stephen Greenblatt: Der Tyrann

Besprechung

In seinem Buch mit dem Titel „Der Tyrann“ analysiert der Autor und Shakespeare-Forscher Stephen Greenblatt Shakespeares dramatische Werke und zieht dabei spannende Parallelen zu Machthabern unserer Zeit. Im Vordergrund seiner Untersuchung stehen dabei Fragen, die aktueller nicht sein können: Wie wird jemand zum Tyrannen? Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Machtstreben und Machtmissbrauch? Warum akzeptieren die Menschen Lügen von Männern, die ihrem Land offensichtlich schaden? Wie kann es sein, dass eine große Nation in die Hände eines Tyrannen fällt? Es ist daher nicht verwunderlich, dass in Greenblatts Analyse Shakespeares Tyrannendrama „Richard III“, dessen Niedertracht, Rohheit und Verlogenheit kaum zu überbieten ist, einen breiten Raum einnimmt. Gerade die Ausführungen zu „Richard III“ machen Greenblatts Analyse auch für den Deutschunterricht interessant, da die Figur des Richard III keinen geringeren als Friedrich Schiller zur charakterlichen Gestaltung seines missgestalteten Franz Moor in „Die Räuber“ animiert hat. Zu erwähnen ist hier auch die kongeniale Literaturverfilmung des Regisseurs Richard Loncraines aus dem Jahr 1995, der Shakeaspeares Drama vor dem Hintergrund eines faschistischen Englands in den 1930er Jahren verfilmt hat. Shakespeare hat jedoch nicht nur Charakterzüge von Tyrannen in seinen Dramen eingefangen,  sondern interessant sind auch Greenblatts Ausführungen, zu denjenigen Figuren, die es dem Tyrannen erst ermöglichen, in eine exponierte Machtposition zu kommen. Da sind auf der einen Seite die loyalen Mitläufer und Profiteure, die sich in Komplizenschaft üben, auf der anderen Seite aber auch die, die stillschweigend zuschauen, diejenigen, die sich überreden lassen oder die, die das zynische Spektakel sogar genießen.