Judith Burger: Gertrude grenzenlos
Besprechung
Gertrude ist vollkommen anders als Ina und ihre Klassenkameraden – sie trägt Westklamotten, riecht nach Westwaschmittel, hat einen Westfüller und lächelt stets unergründlich. Wie kann man nur so anders sein, fragt sich Ina, als sie wie gewöhnlich morgens zu spät in die Schule kommt, wie immer im Unterricht nicht aufpasst und deshalb zur Strafe alleine sitzen muss. Als dann plötzlich eine neue Schülerin in Inas Klasse kommt mit dem komischen Namen Gertrude, wird sie von der verhassten Lehrerin Frau Wendler neben Ina gesetzt. Das kann ja heiter werden, denkt sich Ina. Das wird es auch, aber anders, als Ina sich das vorgestellt hat. Denn mit Gertrude kann man herrlich verrückte Sachen machen, sodass Ina ihr sogar ihren Geheimplatz hinter einer Garagenwand zeigt und binnen kurzer Zeit sind die beiden Mädchen unzertrennlich. Doch etwas stimmt mit Gertrude und ihrer Familie nicht. Schon allein die Geschichte, wie Gertrude zu ihrem Namen gekommen ist, zeigt Ina eine Welt auf, die mit den Pioniernachmittagen und den langweiligen Essengeldturnschuhen nichts zu tun hat. Gertrude und ihre Familie passen nicht in die Welt der DDR. Deshalb darf Gertrudes Vater nicht mehr als Dichter arbeiten und Gertrudes Bruder darf kein Abitur machen. Durch Gertrude lernt Ina eine neue Welt abseits von Frau Speckmantel kennen, die stets neugierig ist und alles von Ina und ihrer Mutter, mit der Ina im Fritz-Heckert-Neubaugebiet lebt, wissen will. Eine Welt, in der man in die Kirche geht und sich umschaut, ob man verfolgt wird. Da Gertrudes Familie nicht mehr in der DDR leben will, stellt sie einen Ausreisantrag in den Westen. Doch damit nehmen die Ungerechtigkeiten gegen Gertrude und ihre Familie verstärkt zu. Aber Ina will etwas gegen diese Ungerechtigkeiten unternehmen und den Erwachsenen zeigen, dass man eine Freundschaft nicht einfach verbieten kann. So ruft Ina das Kommando Rose aus, um die Freundschaft der beiden zu retten. Sie löst damit eine Reihe von ungeahnten Reaktionen bei ihrer Mutter, ihren Lehrern und ihren Mitschülern aus, sodass die Freundschaft mit Gertrude belastet wird und ihr eigenes Leben auf den Kopf gestellt wird.
Didaktische Hinweise
Didaktische Hinweise: Judith Burger nähert sich sensibel und gleichzeitig mit leichter Hand einem bisher wenig beachteten Thema in der Kinder- und Jugendbuchliteratur: dem Alltagsleben von Kindern in der DDR. Dabei gelingt es der Autorin sehr authentisch und anschaulich, den Zwiespalt ihrer liebevoll gezeichneten Hauptfigur Ina darzustellen, die zwischen ihrer Freundschaft zu Gertrude und ihrer Loyalität zu ihrer Mutter hin- und hergerissen wird und einen Weg finden muss, wie sie ihre aus den Fugen geratene Welt wieder in der Griff bekommt. Dabei merkt Ina, wie die Werte, die die Schule vertritt, nicht mit ihrer Vorstellung von unbedingter Freundschaft in Einklang zu bringen sind. Und schon gar nicht mit Gertrude, mit der sie all die verrückten Dinge machen kann, die man als Freundinnen macht, was aber leider von der Gesellschaft und der Schule nicht gerne gesehen wird. Die Autorin wirkt bei der Beschreibung des Lebens in der DDR nie oberlehrerhaft, sondern zeichnet diese für viele fremde Welt sprachlich unverbraucht und sehr ehrlich aus der Sicht der beiden Freundinnen Ina und Gertrude nach und lädt die Leser somit direkt in Inas und Gertrudes (Gefühl-)Welt ein. Am Ende zeigt sich, wie eine Freundschaft grenzenlos sein kann und man trotz Widrigkeiten von außen die richtige Entscheidung treffen kann. Obwohl es sich bei den Hauptfiguren um Mädchen handelt, werden durch die vielen Wendungen in der Handlung auch Jungen angesprochen. Dieses Buch eignet sich sehr gut als Klassenlektüre oder für Buchvorstellungen in der 6. bzw. 7. Jahrgangsstufe. Vorstellbar wäre eine Verbindung mit der Geschichte der deutschen Wiedervereinigung. Das verständlich geschriebene Glossar am Ende des Buches erläutert die wichtigsten Begriffe im Zusammenhang mit der Gesellschaft in DDR.
Gattung
- Romane
Eignung
sehr gut als Klassenlektüre geeignetAltersempfehlung
Jgst. 6 bis 7Fächer
- Deutsch
- Geschichte
FÜZ
- Kulturelle Bildung
- Familien- und Sexualerziehung
- Soziales Lernen
- Werteerziehung