Edouard Levé: Autoportrait

Besprechung

Müßig, in den Sätzen des Selbstporträts von Edouard Levé, Photograph und konzeptueller Künstler, einen Zusammenhang oder eine besondere Struktur zu suchen. Die Sätze, oft kurze Hauptsätze, auch einige Satzgefüge sind aneinander gereiht, nur manchmal haben mehrere hintereinander dasselbe Thema, selten gibt es ganz kleine Geschichten oder Szenen, wie gegen Ende die von dem ehemaligen SS-Mann, der bei einem Abendessen reaktionäre Phrasen von sich zu geben beginnt oder kurz von einem Missbrauch erzählt. Trotzdem haben die Einzelteile nicht den Charakter von Bruchstücken. Sie geben vielmehr einen tiefen Einblick in eine Persönlichkeit. Nur die erste und die letzte Seite habe er überarbeitet, teilt der Autor in einem Interview 2005 mit. Auf der letzten Seite schreibt er von einem Mann, der sich mit dem Gewehr eine Kugel in den Kopf schoss, als er, bevor er mit seiner Frau zum Tennis gehen wollte, noch schnell in den Keller ging. Und: „Ich weiß nicht, warum ich schreibe.“ „Ich glaube an ein Leben nach dem Leben, aber nicht an einen Tod nach dem Tod.“ „Der schönste Tag meines Lebens ist vielleicht schon vorbei.“ 2007 beging Levé mit nur 42 Jahren Selbstmord. Es gibt aber auch viele amüsante Sätze, viele, die man zitieren und mit denen man sich identifizieren kann. So entsteht aus einzelnen Steinchen ein Mosaik, das einem Porträt nahekommt. Levé hat diese Sätze geschrieben, als er allein an einem Projekt in den USA arbeitete, sehr deprimiert und voller Todesangst war. Er hoffte, so Spuren zu hinterlassen. Das ist ihm gelungen.