Frederic Ciriez: Auf den Straßen von Paris
Besprechung
Der 2013 in Frankreich erschienene Roman, dessen Theaterfassung derzeit auf vielen französischen Bühnen gespilt wird, beginnt wie ein Krimi: Ein Mann sitzt am Tag vor dem Feiertag des 1. Mai in seinem Citroen Xantia in der Banlieue von Paris, zwischen einer Müllverbrennungsanlage und einem Depot für abgeschleppte Autos. In seinem Herzen steckt ein Messer, offenbar hat der Mann Selbstmord begangen, der Kassenzettel für das Messer liegt auf dem Beifahrersitz. Rückblickend wird erzählt, wie der Berater für Arbeitslose und Gewerkschaftler, geboren in Paris, sein trostloses Leben in Rennes und dann in Clichy sur Seine verbringt, bis zu jenem 30. April, an dem er in sein Auto steigt und, statt zur Arbeit, auf den Périphérique fährt, anscheinend ohne Ziel, bis er auf einem Parkplatz hält und sich ersticht. Ganz einsam war er nicht, denn er hat für den Abend des 1. Mai Gäste eingeladen, schaut drei Tage vor seinem Tod mit einem Freund einen Film an und bekommt über seinen Tod hinaus Kurznachrichten. Dann erzählt „Parfait de Paris“, ein Sapeur, ein kongolesischer Dandy, selbst seine Geschichte. Er ist Fahrer eines Müllautos und Boss dreier Müllmänner. Er wartet nur darauf, den Müll in die Verbrennungsanlage und den Müllwagen ins Depot bringen zu können. Um Mitternacht ist er zuhause in seinem Appartement in einem heruntergekommenen Mietshaus außerhalb des Rings und kann sein zweites Leben vorbereiten. Er zieht seine Dandy-Kleidung an, alles ausgesuchte Designerstücke, trifft seinen bezahlten Begleiter und steigt in den gemieteten Rolls Royce, um zu seinem Club zu fahren. Eine Nacht beginnt, in der er im Geheimen hofft, entdeckt und aus seinem Drecksleben erlöst zu werden. Es gibt einen kleinen Gegenstand, der ihn an diesem Tag begleitet und den er immer wieder hervorholt: ein Feuerzeug mit einer erotischen Abbildung, die man aufleuchten lassen kann. Geschichte Nummer drei wird von einer chinesischen Studentin erzählt, die bei ihren Eltern in Belleville wohnt. Sie ist ambulante Händlerin, hat unter anderem das erotische Feuerzeug an Parfait verkauft und fährt auf Rollerblades mit einem Bauchladen voller Kleinkram herum. Sie verdient nicht schlecht, zumal sie die Ware in einem Vorort günstig erwerben kann. Am besten gefällt ihr jedoch das Rasen auf ihren Rollschuhen durch Paris. Auch wenn sie sich öfter verletzt, fährt sie über Schnellstraßen, Bürgersteige und durch Straßentunnels und lässt die Autos hinter sich. Nur die ausbleibende Antwort auf ihre SMS an ihre geliebte Freundin beunruhigt sie. Als sie diese nach der Arbeit besucht, entdeckt sie, dass sie von ihr betrogen wird, und fährt in die Nacht davon. Die Frau im Bett ihrer Freundin war blond, so wie eines der Mädchen in ihren Feuerzeugen. Der Roman ist schwer zu übersetzen, vor allem muss man sich im Vokabular der Sapeur-Szene zurechtfinden. Dennoch dürfte es nicht passieren, dass die Studentin in „eine Art Amphitheater“ statt in einen Hörsaal (frz. amphithéâtre) geht.
Didaktische Hinweise
Die drei Teile des Romans lassen sich unabhängig voneinander, vorzugsweise im Original, lesen. Verbunden sind sie durch die Stadt Paris und ihre prekären Wohn- und Arbeitsformen. Die Träume und Fluchtphantasien, die dort entstehen, haben durch die Anschläge von Paris Aktualität bekommen. Die möglichen Bedeutungen des Originaltitels „Melo“ können am Schluss der Lektüre untersucht werden.
Gattung
- Romane
Eignung
themenspezifisch geeignetAltersempfehlung
Jgst. 11 bis 13Fächer
- Deutsch
- Französisch
FÜZ
- Soziales Lernen
Erscheinungsjahr
2015ISBN
9783893201921Umfang
287 SeitenMedien
- Buch