Amy Waldman: Der amerikanische Architekt

Besprechung

Die Versuchsanordnung: Bei der anonymen Ausschreibung für eine Gedenkstätte für 9/11 gewinnt der Entwurf eines Muslims. Der Schock darüber ist groß. Bald geht es nicht mehr nur um die Person des säkularen Amerikaners Mohammad Khan, sondern auch darum, ob dieser Garten subtil an das Paradies der Märtyrer erinnern wolle. Eine hysterisch aufgeheizte Debatte beginnt, die Überzeugungen der Gegner und Befürworter des Entwurfs sind nur vorgegeben sachlich, in Wahrheit zutiefst emotional und mit eigenen Verwundungen und Leidenschaften verknüpft. Der begabte Architekt beharrt auf seinem Entwurf und seinen Rechten und muss erleben, wie ihm sämtliche Überzeugungen, gleichberechtigter Amerikaner zu sein, abhanden kommen. Claire Burnwell, Angehörige der weißen Oberschicht, als Witwe Mitglied der Jury, wechselt ihre Überzeugungen im Verlauf der Ereignisse, Sean sucht im Kampf gegen den Garten die Anerkennung der Mutter, die seinen toten Bruder mehr geliebt hat als ihn. Eine Journalistin als üble Vertreterin sensationslüsterner Medien treibt die Handlung voran und verschuldet indirekt auch Unglück und Tod Asmas, der Witwe eines Moslems, der ebenfalls bei den Anschlägen ums Leben gekommen ist. Klug, hellsichtig analysierend, voller Mitgefühl und sogar witzig lässt uns die Autorin an all den widersprüchlichen Empfindungen wohlmeinender, fanatischer, ängstlicher, empörter und fragender Menschen angesichts der Ereignisse von 9/11 teilhaben. Der Leser vergisst wegen der vielen Fakten und der authentischen Atmosphäre mitunter, dass es sich um eine fiktive Darstellung handelt, so glaubhaft und überzeugend schreibt die Autorin.