Hans Platzgumer: Der Elefantenfuß
Besprechung
Platzgumers Romane spielt in der Sperrzone um das 1986 explodierte Atomkraftwerk Tschernobyl. Sie ist unbesiedeltes Sperrgebiet. Eigentlich menschenleer. Besucht wird sie von Gottsuchenden, Rückkehrern, Abenteurern und Wissenschaftlern. All diese Menschentypen lässt Platzgumer in seinem Romane zusammenkommen. In verschiedenen anfangs getrennten Handlungssträngen erzählt er von ihnen. Da sind die Rückkehrer Igor und Alexander. Der ehemalige Kernphysiker Igor betreibt einen Kiosk am Rande der Zone. Er weiß, dass Atome sich gleichzeitig an mehreren Orten befinden können. Genauso, denkt er, lebe er selbst in vielen Parallelwelten, in einem Multiversum. Sein Ziel ist es, eines Tages sein eigenes vieldimensionales Leben zu erfahren und Pripjat sei der perfekte Ort, um die herkömmlichen Denkmuster zu verlassen. Für den als Jugendlichen verstrahlten Alexander gibt es nur noch ein Leben nach Tschernobyl. Er fand keinen Platz mehr in Familie und Gesellschaft und kehrte auf den Bauernhof der verstorbenen Großeltern zurück. Damit er die Strahlung aus seinem Körper wieder ausstoßen kann, hat er sich ein Loch durch die Schädeldecke gebohrt. Philipp und seine in abhängiger Bewunderung erstarrte Begleitung Soraya denken, dass Gott in allen Atomen steckt. Philipp hat nur Sorayas Russischkenntnisse bedurft und hält sie in der Zone mit Medikamenten zunehmend in einem Dämmerzustand. Von seinen Plänen, den Reaktor in die Luft zu sprengen, weiß sie nichts. Gott wolle, dass die in Form eines Elefantenfußes erstarrten Brennstoffe im Reaktor befreit werden. Daneben gibt es noch Henry. Er studiert Biologie und plant eine Doktorarbeit über die im unberührten Sperrgebiet lebenden wilden Hunde. Und dann sind da noch die drei russischen Soldaten, die ihr freies Wochenende „in der absoluten Freiheit dieser menschenleeren Welt“ (S. 145) zusammen mit viel Wodka genießen wollen. Das gemeinsame Trinkgelage eskaliert durch internalisierte Demütigungs- und Befehlsstrukturen. Wie diese Drei erreichen auch die anderen ihr Ziel an dem dafür als perfekt angesehenen Ort nicht. Philipp wird aus Jagdtrieb von einem der Soldaten kurz vor der Umsetzung seines Zieles erschossen. Soraya ist ohne Philipp hilflos. Henry, der bis dahin nur auf Kleingetier gestoßen ist, findet die Leiche und flieht in Panik. Igor rät Alexander am Ende, dass man, was immer man auch glaube, die Distanz bewahren müsse. Gehe diese verloren, dann sei der Gläubige zu allem fähig.
Didaktische Hinweise
Platzgumer beschreibt feinfühlig die ruhige Trostlosigkeit der toten Zone. Er verwebt seine Figuren mit der Einsamkeit, Stille und Morbidität dieses Niemandslandes. Im Unterricht kann der Romane, der an dem Tag erschien, an dem es im japanischen Fukushima zur Reaktorkatastrophe kam, gut eingesetzt werden. Seinem eigentlichen Ziel, die Erinnerung an den Reaktorunfall im ukrainischen Tschernobyl vor nunmehr 25 Jahren aufrechtzuerhalten, kann er gerecht werden. Durch die Geschichten der Figuren erhält der Leser viel Hintergrundwissen hierzu. Einige Bilder im Buch und auch Fotos der offiziellen Homepage Pripjats können gut zur Unterstützung der Stimmung im Buch beitragen. Der Ausstiegsbeschluss der Bundesregierung nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima liefert einen aktuellen Anlass zur Lektüre, die in ein Projekt über die Nutzung der Atomenergie bzw. alternativer Energieformen münden kann.
Gattung
- Romane
Eignung
sehr gut als Klassenlektüre geeignetAltersempfehlung
Jgst. 10 bis 13Fächer
- Chemie
- Deutsch
- Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
- Russisch
- Zusätzliche Fächer (Fachunterricht)
Erscheinungsjahr
2011ISBN
9783902534439Umfang
238 SeitenMedien
- Buch