mobile Navigation Icon

Albertine Sarrazin: Querwege

Besprechung

Autobiographische Erzählung über den Weg aus einem prekären Leben mit Not, Vertrauensverlust und Kleinkriminalität zum Schreiben erfolgreicher Texte

Albertine Sarrazin hat in den nicht einmal dreißig Jahren ihres Lebens drei Romane mit autobiographischem Hintergrund geschrieben, die in den letzten Jahren neu ins Deutsche übersetzt wurden. Sie erzählt in „Querwege“ („La traversière“) drei Monate aus dem Leben von Albe, das keineswegs geradlinig, sondern oft bewusst, aber manchmal auch durch äußere Umstände gezwungen, „quer“ zum normalen Leben verläuft. Albe wird im August 1966 aus dem Gefängnis entlassen und sucht, behindert durch ein Aufenthaltsverbot in den meisten Départements für die Zeit des Wartens auf ihren Lebensgefährten Lou, der noch im Gefängnis sitzt, eine Bleibe. Die Freundin ihres Onkels, der sie als Kind missbraucht hat und gerade in Afrika arbeitet, lebt in dessen Wohnung mit ihrem Zuhälter, ihre Freundin Jac, der sie ihre Habseligkeiten anvertraut und Geld geschickt hat, hat alles verkauft und veruntreut. Trotzdem verzichtet Albe auf eine Anklage und wohnt kurz bei ihr in Calais. Zum Schreiben, symbolisiert durch „Bic“, den Einwegkugelschreiber und Schreibtischunterlagen aus Löschpapier, kommt sie kaum, da Jac zwei quirlige Kinder hat. Es wird ihr dann eine Unterkunft in einem Wohnheim in Troyes vermittelt und sie findet Arbeit als Eisverkäuferin vor einem Kaufhaus. Sie beginnt wieder zu trinken und zu klauen und verliert ihre Arbeit. Ihre gefühlskalte Adoptivmutter, genannt Mother, unterstützt sie mit etwas Geld, und nimmt sie mit in ihr Altenwohnheim in einem Kloster in Aix-en-Provence. Auch hier trotzt sie dem Leben ein wenig Zeit zum Schreiben ab und sie bekommt eine Anstellung als Reporterin bei einer lokalen Zeitung, bis sie beim Klauen erwischt wird. Als sie ihr Strafe abgesessen hat, trifft sie Lou und ihren Onkel und eine kurze glückliche Zeit bricht an. Zu dritt kaufen und restaurieren sie ein heruntergekommenes Haus in den Cevennen, wo sich die realen „Querwege“ des Titels befinden: Sie dienen dazu, das abschüssige Gelände abzusichern und kultivierbar zu machen. Über ihren ehemaligen Chef bei der Zeitung findet Albe einen Verleger in Paris, der ihre Texte begeistert annimmt. Albes Geschichte endet im November 1966. Die Autorin Albertine Sarrazin ist am 10. Juli 1967 in Montpellier durch ärztliches Versagen bei einer Nierenoperation gestorben. Die Erzählerin schildert ihre Umwelt mit naturalistischer Stärke, ihre Beschreibung des Kaufhauses Prisunic erinnert an Emile Zola, und sie gibt ihre Gedanken, ihre oft zynischen Urteile und ihre Erinnerungen wieder, in einer mit Elementen aus dem „Argot“ gemischten Sprache und vielen Bildern. Diesen Stil ins Deutsche zu übertragen ist schwer bis unmöglich, die erfahrene Übersetzerin Claudia Steinitz (z.B. Virginie Despentes) hat es meist einfallsreich gelöst.

Didaktische Hinweise

Eine Untersuchung der Übersetzung an einem Auszug ist ein lohnendes Unterfangen. Wie ein Filmdrehbuch liest sich die Biographie der rebellischen Autorin, die in Algier geboren wurde und bei lieblosen französischen Adoptiveltern aufgewachsen ist. Sie lehnt sich gegen die Regeln der Gesellschaft auf, um ihre Freiheit zu erlangen, wodurch sie diese mehrmals einbüßt. Ihr Roman „Astragalus“ erzählt von einem spektakulären Ausbruch aus dem Gefängnis. In der Literatur des postkolonialen Frankreichs war die heute modern wirkende Autorin eine Ausnahmeerscheinung.

Alle hier rezensierten Werke von Albertine Sarrazin

Gattung

  • Romane

Eignung

in Auszügen geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 10 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
  • Französisch

FÜZ

  • Interkulturelle Bildung
  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2019

ISBN

9783906811123

Umfang

224 Seiten

Medien

  • Buch