Erich Loest: Zwiebelmuster
Besprechung
Das „Zwiebelmuster“ auf dem Sonntagsgeschirr am Familientisch steht gleich zu Beginn schon symbolisch für eine nur notdürftig zusammengehaltene Familienidylle, in der sich mit dem mangelnden politischen Engagement des Sohnes und der West-Freundschaft der Tochter bereits ernsthafte Risse abzeichnen.
Das größte Lebensziel der bewährten Altgenossen, des Ehepaares Haas, ist eine Reise in den Westen, zumal damit der prestigeträchtige Aufstieg in das so genannte Reisekader verbunden wäre. Im Dschungel bürokratischer Undurchsichtigkeiten und Vertröstungen offenbart sich ein letztlich bereits ins Leere laufendes System, in dem niemand konkret für das immer neue Scheitern der Reise verantwortlich zu machen ist und auch unglückliche Zufälle und organisatorische Pannen eine große Rolle spielen. Schriftsteller Haas wird nicht nur mit der eigenen Bedeutungslosigkeit als Rädchen in einer Hierarchie konfrontiert, sondern auch noch mit seiner Vergangenheit: Durch den todkranken Herbert Kloßner erfährt er, dass seine stets parteikonformen Zeitungsartikel für diesen einst einen Karriereknick bedeuteten, dass er allerdings, z. B. durch seine Verweigerungshaltung gegenüber Anwerbungsversuchen der Stasi, selbst auch zu seinem gesellschaftlichen Außenseiterdasein mit beigetragen hatte. Wer nicht als linientreuer Konformist leben will, sich, wie Kloßner, zur Verweigerung entschließt oder sich, wie Hans-Georgs Sohn Torsten, geschickt selbst noch bei der Volksarmee durchzumogeln weiß, dem bliebe noch der Versuch zu aktivem Widerstand: Einzig Marion Haas, die Tochter, befreundet mit dem Holländer Jan, versucht sich im Rahmen einer Umweltschutzgruppe mit einer Protestaktion und fällt als eine positive Frauenfigur auf, die noch am wenigsten gebrochen erscheint. Haas tendiert dazu, allzu große Selbstzweifel mit einer ständig vor sich selbst gerechtfertigen Menge von Bierchen herunterzuspülen. Wendig denkt er sich zunächst zur Rechtfertigung möglicher neuer Reiseziele immer neue Romanfabeln aus, um den Verantwortlichen seine Urlaubsreise als Forschungsprojekt schmackhaft zu machen. Trotzdem erhält das Gebäude seiner Verdrängung und Selbsttäuschung am Ende einen nachhaltigen Riss und droht einzustürzen. Auch seine Frau – die in vorzeitiger Euphorie über die scheinbar schon perfekte Fernreise sich durch Kündigung einen längeren Urlaub zu verschaffen suchte und nach Entfernung aus ihrer Funktionsstellung einige ernüchternde Erfahrungen mit Kollegen machen muss – gerät in einige Situationen, die an ihrem Glauben an das System kratzen. Am Ende – nach einem Nervenzusammenbruch Hans Georgs – zeichnet sich als ironische Perspektive eine von der Partei unterstützte, kleinbürgerlich anmutende Idylle ab: Für Haas wird ein Stipendium diskutiert. Er soll damit Gelegenheit erhalten, jahrelang über ein so unpolitisches Thema wie das Meißener Porzellan ein Buch zu schreiben. Seine Frau wird Gelegenheit haben, dabei „Zwiebelmuster“ zu sammeln.
Didaktische Hinweise
Auch Geschichte, Ethik und Religionslehre. Behandlung im Unterricht: Elemente satirischen Schreibens, Ironie als Stilmittel, Tradition des satirischen Romans; Aufsatzunterricht: Textanalyse, Erörterung im Anschluss an einen Text ; Projekt: Fächerübergreifend (Geschichte); Vergleich zu anderen Romanen Loests, z. B. „Nikolaikirche“ – thematisch wie von der Figurenkonstellation her fast als ‚Anschlussroman’ lesbar
Gattung
- Romane
Eignung
themenspezifisch geeignetAltersempfehlung
Jgst. 9 bis 13Fächer
- Deutsch
- Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
- Geschichte
- Zusätzliche Fächer (Fachunterricht)
FÜZ
- Kulturelle Bildung
- Sprachliche Bildung
Erscheinungsjahr
1994 (1985)ISBN
9783980213929Umfang
288 SeitenMedien
- Buch