Alois Prinz: Das Leben der Simone de Beauvoir
Besprechung
Das Personenverzeichnis macht deutlich, dass es in Gotthold Ephraim Lessings dramatisches Gedicht „Nathan der Weise“ (1779) eine „geheime Ordnung“ gibt: Die unterschiedlichen Personen gehören den drei monotheistischen Weltreligionen an. Auch der Ort der Handlung ist mit Jerusalem nicht zufällig gewählt, denn bis zum heutigen Tag beanspruchen sowohl das Christentum als auch der Islam und das Judentum die heiligen Stätten für sich. Das Drama spielt während der Zeit der Kreuzzüge. Mit diesen Informationen ist der Grundkonflikt schon vorprogrammiert. Der jüdische Kaufmann Nathan kehrt von einer Geschäftsreise nach Hause und erfährt, dass in der Zeit seiner Abwesenheit sein Haus gebrannt hat und seine Tochter Recha von einem christlichen Tempelherrn gerettet wurde. Nathan bewertet dabei die Rettung ganz anders und spricht nicht von einem Wunder, wie es seine Tochter tut. Dieses unterschiedliche Verständnis führt zu einer Belehrung Rechas durch ihren Vater. Dieser erscheint in dieser Szene ganz als Erzieher im Sinne der Aufklärung: Vom Wahn zur Wahrheit. Deutlich wird recht schnell, dass es religiöse und nationale Vorurteile sind, die verhindern, dass der hochmütige junge Christ mit Nathan über die Geschehnisse spricht. Im zweiten Aufzug wird Saladin mit seinen Plänen und seinem Geldmangel vorgestellt. Nathan kommt als möglicher Geldgeber ins Spiel und wird zu Saladin beordert. Gleichzeitig trifft Nathan auf den Tempelherrn und gewinnt in drei Schritten den Judenhasser durch seine geschickte Gesprächsführung zum Freund. Dabei ist die Erkenntnis entscheidend, dass sie nicht auf der Grundlage ihrer unterschiedlichen Religionszugehörigkeit, sondern auf Basis der Menschlichkeit Freundschaft schließen können. Während Nathan sich zum Sultan aufmacht, treffen Recha und der Tempelherr aufeinander, wobei die beiden ihre Zuneigung zueinander spüren. Die berühmte Ringparabel ist die geschickte Antwort Nathans auf die Fangfrage des Sultans, welche der drei Religionen die richtige sei, und damit der formale und inhaltliche Höhepunkt des Dramas. Der Wert der geoffenbarten Religionen müsse sich in der sittlichen Bewährung, in der praktischen Humanität beweisen. Am Ende der Szene schließt der Sultan mit Nathan Freundschaft; das neue Denken ist aber noch nicht gefestigt und kommt im 4. Aufzug in eine Krise. Der Templer wirbt heftig um Recha, diesmal ist es Nathan, der bremst, was den Christen verstört und in seinen alten Vorurteilen bestätigt. Dazu kommt, dass das immer wieder angedeutete Geheimnis um die Herkunft Rechas langsam aufgelöst wird: Nathan ist nicht ihr Vater und sie eine getaufte Christin. Bestätigung erfährt dieses Denken im kirchlichen Machtanspruch, der durch den Patriarchen von Jerusalem vertreten wird. Am Ende der verwickelten Handlung stellt sich heraus, dass alle miteinander verwandt sind oder einander adoptiert haben. Die Familienszene am Ende zeigt, dass Juden, Christen und Muslime als Mitglieder einer zusammengehörigen Menschheitsfamilie gelten. Mit dieser Utopie macht Lessing deutlich, dass vernunftgeleitete Erkenntnis und Selbsterziehung vom „Wahn“ der Religionskämpfe zur „Wahrheit“ gegenseitiger Befreundung und Menschenliebe führt: „Eine Patchwork-Geschichte mit Happy End, die jeder nationalstaatlichen und religiösen Vorherrschaft den Boden entzieht.“ (Anna-Lena Scholz in der ZEIT vom 19.10.2019)
Didaktische Hinweise
Der Einsatz im Unterricht deckt zahlreiche interessante Aspekte und Facetten ab:
- Literarische Gattung der „Parabel“ anhand der berühmten Ringparabel
- Monotheistische Weltreligionen und Rolle Jerusalems
- Biografie Lessing mit Goeze-Streit
- Judenbild im 18. Jahrhundert –Judenbild heute
- Erörterung, Abgrenzung und Aktualisierung des Toleranzgedankens
- Figurencharakterisierung und andere Erarbeitungsschritte der Dramenerschließung
- Blankvers und Dramentheorie
- „Nathan der Weise“ als Drama der Aufklärung analysieren
Nathan kann als Beispiel dafür gelten, wie man Auseinandersetzungen friedlich lösen kann. Er kann daher im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung für das Ziel Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen (16) als Beispiel dienen.
Gattung
- Dramen
Eignung
sehr gut als Klassenlektüre geeignetAltersempfehlung
Jgst. 10 bis 13Fächer
- Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
- Deutsch
- Philosophie
FÜZ
- Kulturelle Bildung
- Interkulturelle Bildung
- Werteerziehung
- Bildung für Nachhaltige Entwicklung (Umweltbildung, Globales Lernen)
Erscheinungsjahr
2022ISBN
9783060629220Umfang
277 SeitenMedien
- Buch
- E-Book
- Hörbuch
- Film