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Olivia Wenzel: 1000 serpentinen angst

Besprechung

Eine junge Frau wächst nach der Wende im Osten Deutschlands auf und wird immer wieder mit ihrer Hautfarbe konfrontiert. Eine junge Frau mit blauen Haaren, Punkerin, DDR-Bürgerin, Tochter einer linientreuen Sekretärin, die so gerne verreisen wollte, bekommt Zwillinge mit einem Mann aus Angola. So und ähnlich hat man es in letzter Zeit öfter gelesen, bei Ijoma Mangold, bei Jackie Thomae und anderen, ohne dass es zwangsläufig um Rassismus ging. Auch Olivia Wenzels Erzählerin, die Tochter der Punk-Frau, will auch nur eines: normal sein. Aber sie ist immer die einzige Schwarze: im Theater, am See, als eine Gruppe Rechtsradikaler sich ihr nähert. In New York ist das anders, da kann sie auf der Straße eine Banane essen, ohne darüber nachdenken zu müssen. Was sie natürlich doch tut und es fallen ihr sofort drei rassistische Anpöbeleien ein. Als Kind wünscht sie sich eine Salbe, die sie über Nacht weiß machen würde. Als die Erzählung beginnt, hat sich der Zwillingsbruder umgebracht und die Beziehung zu Kim, einer Vietnamesin, ist beendet, auch weil da die Angst ist, zu einer weiteren Randgruppe zu gehören. Am Ende ist sie von einer Reise nach Vietnam auf den Spuren Kims zurückgekehrt und ist schwanger. Das Buch ist ein Dialog mit verschiedenen Stimmen (die Autorin schreibt vor allem fürs Theater), deren Identität nicht explizit definiert wird. Eine anonyme Stimme stellt im ersten Teil in Versalien gedruckte Fragen im Stil der Einreisebehörden in die USA, auf die das „Ich“ der Protagonistin antwortet. Bis zur letzten Seite steht sie immer wieder auf dem Bahnsteig eines Provinzbahnhofs und schaut in einen Snack-Automaten. Im zweiten Teil rät Burhan, ein Freund, der Protagonistin wegen ihrer Angststörungen eine Psychotherapie zu machen. Schon die Suche gestaltet sich schwierig, weil sie jemanden sucht, der sich mit „People of Colour“ auskennt. Im dritten Teil stellt das „Ich“ sich die zunächst selbst Fragen, leitmotivisch beginnend mit: „WO BIN ICH JETZT?“. Dann wird sie angesprochen: „WO BIST DU JETZT?“, und das Ich beginnt aufs Neue, sich Fragen zu stellen. Imaginierte oder erinnerte Dialoge unterbrechen kursiv gedruckt die Antworten. Besonders an Olivia Wenzels Buch ist, dass eine Schwarze sich ihren Platz mitten in einer Gesellschaft beansprucht, die sie immer wieder auszugrenzen versucht, ohne einen Anti-Rassismus-Kampf zu beginnen.

Didaktische Hinweise

Dass der Roman im Bezug zur Identitätsdiskussion steht und von einer Person of Colour geschrieben ist, verleiht ihm Bedeutung und bietet Stoff zu Diskussion und Vergleich mit anderen Darstellungen. Die Dialogform lädt zu einer dramatischen Gestaltung ein, man kann sich den zerbeulten Kaugummiautomaten auf der Bühne gut vorstellen.

Gattung

  • Romane

Eignung

als Klassenlektüre geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 9 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre

FÜZ

  • Interkulturelle Bildung
  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2021

ISBN

9783103974065

Umfang

347 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book