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Judith Hermann: Wir hätten uns alles gesagt

Besprechung

Bei dem Buch mit dem Titel „Wir hätten uns alles gesagt. Vom Schweigen und Verschweigen im Schreiben“ handelt es sich um die Vortragsreden der „Frankfurter Poetikvorlesungen“, die die Autorin Judith Herrmann im Sommer 2022 gehalten hat. In diesen öffnet sich die Autorin, deren 1998 erschienener Erzählband „Sommerhaus, später“ auch Eingang in den Deutschunterricht der Oberstufe gefunden hat, gegenüber ihren bisher konsequent verschweigen Familienverhältnissen. Sie tue das, so Hermann, um so besser über ihr Schreiben sprechen zu können. In „Wir hätten uns alles gesagt“, spürt Judith Hermann somit ihrem eigenen Schreiben nach, indem sie von den Menschen und Situationen berichtet, die ihr eigenes Schreiben geprägt haben. 

Die Vorlesungen selbst sind inhaltlich dreigeteilt. Der erste Teil spielt in der Gegenwart. In ihm geht es um die zufällige Begegnung der Autorin, die hier als Ich-Erzählerin auftritt, mit ihrem Psychoanalytiker Dr. Dreehüs. Im zweiten Teil erfahren die Leser/-innen mehr über die Judith Hermanns Kindheit, die komplizierte Beziehung zu ihren Freunden Ada und Jon sowie den Tod von Marco. Der dritte Teil versucht dann, die äußeren Einflüsse und das Schreiben in Beziehung zueinander zu setzen, wobei Judith Hermann ihren Blick hier erneut zurück in die Kindheit lenkt. Aufgewachsen ist Judith Hermann, wie sie sagt, bei der Großmutter in einer Altbauwohnung in Berlin Neukölln, obwohl auch ihre Eltern und ihre sieben Jahre jüngeren Zwillingsgeschwister in der weitläufigen, verwinkelten Wohnung leben. Die Mutter sorgt für den Familienunterhalt, während der Vater zunächst noch Mathematik- und Physikstudent, depressiv und hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt ist. Beide Eltern können sich wenig um die Erstgeborene kümmern. Während Judith Hermann selbst die Familienverhältnisse als „unkonventionell“ bezeichnet, erwähnt die Großmutter ihr gegenüber, sie sei in ein „Trauerhaus“ hineingeboren worden. Hier greift Judith Hermann noch weiter in ihre Familiengeschichte zurück und erzählt auch von der Herkunft der beiden Großmütter, der traumatischen Beerdigung des Großvaters, von der Beziehung ihrer Eltern und davon, dass der Vater nach dem Tod der Großmütter zehn Jahre lang in der Psychiatrie verbracht hat und dem nachgesagt wurde, dass er „den Krieg in sich trug“. Die Auswirkungen der Kriegsversehrungen der Großeltern, die Traumata, die sich quer durch Familie ziehen und das Schweigen über die Familiengeschichte hätten ihr Schreiben nachhaltig beeinflusst. Bis heut sei sie „an diese frühen Jahre gebunden“, die ihre Eindrücke, Empfindungen und Gedanken im Hier und Jetzt prägen.

Didaktische Hinweise

„Wir hätten uns alles gesagt“ eignet sich sehr gut in Auszügen im Deutschunterricht der Oberstufe, wenn es um literaturtheoretische Fragestellungen und den Schreibprozess an sich geht. Dabei muss es nicht nur um die theoretische Auseinandersetzung mit Schreibprozessen gehen, sondern die Schülerinnen und Schüler können anhand von eigenen kleinen Schreibübungen ihrer Erinnerung nachspüren und diese thematisieren. Folgende Fragestellungen, könnten dabei – ausgehend von Judith Herrmanns Poetik-Vorlesungen – in einem größeren Zusammenhang mit den Schülerinnen und Schüler thematisiert werden:

  • Was ist Wahrheit, was ist Erfindung und was ist Geheimnis?
  • Wo beginnen Geschichten und wo hören Sie auf?
  • Wie verlässlich ist die Erinnerung? Welche Rolle spielt Fiktion?
  • Welche Rolle spielt die Sprache?

Weiterführender Links zu den Poetikvorlesungen der Universität Frankfurt

 

Alle hier rezensierten Werke von Judith Hermann

Gattung

  • Romane

Eignung

in Auszügen geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch

FÜZ

  • Alltagskompetenz und Lebensökonomie
  • Werteerziehung
  • Soziales Lernen
  • Kulturelle Bildung

Erscheinungsjahr

2023

ISBN

9783103975109

Umfang

192 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book
  • Hörbuch