Theodor Fontane: Mathilde Möhring
Besprechung
Die dreiundzwanzigjährige Mathilde lebt mit ihrer Mutter, einer kleinmütigen und ewig jammernden Buchhalterwitwe, in bescheidenen Verhältnissen, die u. a. zu dem Entschluss führen, ein Zimmer unterzuvermieten. Schon die psychologisch richtige Einschätzung ihres Untermieters, Hugo Großmann, eines zwar äußerlich imposant wirkenden, innerlich aber weichen und weltfern-träumerischen, verbummelten Jurastudenten, weist Mathilde als realistisch denkende Person aus, die mit beiden Beinen im Leben steht. Eine Krankheit Hugos ergreift sie als Chance, ihren Plan vom gesellschaftlichen Aufstieg in die Realität umzusetzen. Sie pflegt Hugo – der in der wegs besonders attraktiven Mathilde bald einen rettenden Engel sieht – gesund und weiß ihn zu einem Heiratsantrag zu bewegen. Durch ihre psychologische Unterstützung verhilft sie dem labilen Mann dann zum Bestehen seines Examens. Ebenfalls nur durch ihre kluge Hilfe wird er Bürgermeister in einer westpreußischen Provinzstadt. Auch als Ehefrau verschafft Mathilde, nicht zuletzt durch ihren umsichtigen Rat, ihrem Mann Anerkennung bei den Honoratioren des Dorfes; ein möglicher weiterer Aufstieg in die Politik zeichnet sich ab, als Hugo überraschend an Schwindsucht stirbt. Mathilde schlägt das unzweideutige Angebot eines alternden Aristokraten aus, auf pikante Art bei ihm „Karriere“ zu machen und kehrt zurück nach Berlin, wo sie sich als Lehrerin ausbilden lässt, ihren Lebensunterhalt bestreitet und dabei auch noch ihre Mutter mitversorgt. Fontane zeigt uns das Bild einer „modernen“ Frau, die einerseits durchaus in berechnender Weise ihren Mann im Sinne ihres Aufstiegswillens manipuliert, der in einer emanzipationsfeindlichen Männergesellschaft nur in Verbindung mit einem Mann denkbar war; andererseits bleibt ihr gar nichts anderes übrig, als diesen Versuch zu unternehmen, bevor sie einen autonomen Lebensweg wählt.
Didaktische Hinweise
Figurencharakteristik, Erzählverhalten; Thematisch: Emanzipation; Projekt: Frauenfiguren in der Literatur, z. B. Kontrastierung mit Figuren wie Fontanes Effi Briest oder Flauberts Emma Bovary; Vergleich mit „emanzipierten“ Figuren in Klassik/Sturm und Drang (Schillers Luise Miller, J. M. R. Lenz’ Marie in den „Soldaten“)
Gattung
- Kurzprosa, Erzählungen, Textsammlungen, Tagebücher
Eignung
themenspezifisch geeignetAltersempfehlung
Jgst. 12 bis 13Fächer
- Deutsch
- Geschichte
Erscheinungsjahr
2001 (1891)ISBN
9783150094879Umfang
141 SeitenMedien
- Buch