Joachim B. Schmidt: Tell
Besprechung
Joachim B. Schmidts Roman „Tell“ ist eine Neuinterpretation von Friedrich Schillers Drama „Wilhelm Tell“. Bei Schmidts Tell handelt es sich aber nicht um den fiktiven Widerstandkämpfer und Tyrannenmörder Wilhelm Tell, wie er aus Schillers gleichnamigen Drama bekannt ist, sondern der legendäre Schweizer Nationalheld Tell ist in Schmidts Roman ein wortkarger Kerl, der lieber auf die Jagd geht als auf dem Bauernhof der Familie zu arbeiten. Tell ist äußerst menschenscheu. Als Knabe war Tell der Liebling des Dorfpfarrers, der ihn mit Keksen in seine Kammer lockte und sich regelmäßig an dem Jungen Wilhelm verging. Tell fühlt sich überdies schuldig am Tod seines älteren Bruders Peter, den er bei schlechtem Wetter zu einem Jagdausflug überredet hatte. Die Leiche des Bruders, der durch ein Schneebrett, das sich gelöst hatte, in die Tiefe gerissen wurde, wurde nie gefunden – ein Trauma, das Tell sein Leben verfolgt. Tell heiratet schließlich die schwangere Frau seines verstorbenen Bruders. Als eines Tages einige Habsburger Soldaten den Tell Hof heimsuchen und verwüsten und Tells Mutter Grosi Marie so schwer misshandeln, dass sie an ihren Verletzungen stirbt, fühlt sich Tell zutiefst gedemütigt. Nachdem die Soldaten auch noch alle Lebensmittelvorräte konfisziert haben, weiß Tell nicht, wie er die Familie über den Winter bringen soll. Zusammen mit seinen zwei Söhnen bricht er nach Altdorf auf, um dort eine Kuh zu verkaufen. Die Situation gerät aber außer Kontrolle, als sich Gesslers betrunkene Soldaten über den nach Kuhmist stinkenden Tell lustig machen, der den auf einer Stange aufgespießten Gessler-Hut, der als Symbol für den Habsburger König steht, nicht wahrnimmt. Der Hut wurde von Harras auf den Pfahl gesteckt, damit jeder den Habsburger Landvogt Gessler grüßen muss, auch wenn dieser gar nicht vor Ort ist. Ausgerechnet in diesem Augenblick kommt Gessler selbst auf den Marktplatz geritten und sieht, dass Tell den Hut nicht grüßt und deutet dies als ein Akt politischen Widerstands. Gessler, der im Grunde Gewalt nicht ausstehen kann, sieht sich gezwungen, Tell zu bestrafen: Tell soll, zu aller Belustigung, einen Apfel vom Kopf seines Sohnes Walter schießen. Tell trifft den Apfel, wird aber trotzdem von Gesslers Leuten festgenommen, er kann sich jedoch befreien und sich an Gessler und seinen Soldaten rächen.
Didaktische Hinweise
Joachim B. Schmidts „Tell“ eignet sich sehr gut als ergänzende Lektüre zu Schillers Drama „Wilhelm Tell“. Überraschend sind in diesem Roman v. a. die Erzählweise und -perspektive, die der Autor wählt. Aus dem klassischen fünfaktigen Dramenaufbau werden zehn Episoden, die aus zwanzig unterschiedlichen Perspektiven Tells Geschichte, von der bis heute keiner weiß, ob sie sich wirklich so zugetragen hat, collagenhaft erzählt. Dabei wird Schillers Stück, das geprägt ist von den Idealen der Französischen Revolution und bis heute prototypisch die Idee des Tyrannenmords symbolisiert, nach Innen gekehrt. Es wird in Schmidts Roman v. a. die Psyche der beiden Protagonisten- Tell und Gessler- geschildert. Indem ihre Gedanken- und Gefühlswelt beschrieben wird, wird den Leser/-innen in Joachim B. Schmidts Roman eine ganz andere Wirklichkeit eröffnet als sie in Schillers Drama beschrieben wird.
Eine weitere Besprechung des Romans findet sich auch hier.
Gattung
- All Age
- Romane
Eignung
themenspezifisch geeignetAltersempfehlung
Jgst. 10 bis 13Fächer
- Deutsch
- Geschichte
FÜZ
- Kulturelle Bildung
- Interkulturelle Bildung
- Politische Bildung
- Soziales Lernen
- Sprachliche Bildung
- Werteerziehung
Erscheinungsjahr
2022ISBN
9783257072006Umfang
281 SeitenMedien
- Buch