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Urs Widmer: Im Kongo

Besprechung

Der 56-jährige Altenpfleger Kuno arbeitet seit fünfundzwanzig Jahren in einem Altersheim bei Zürich. Er bereitet gerade ein Zimmer für seinen eigenen Vater vor, der nun als Gast in das Altenheim kommen wird, nachdem er aus Versehen beinahe den Postboten erschossen hätte. Durch eine Begegnung mit Herrn Berger, einem anderen Heimbewohner, beginnt Kunos Vater von seiner Vergangenheit zu erzählen, die weitaus spannender ist, als es sein Sohn jemals für möglich gehalten hätte. In Rückblicken schildern die beiden alten Männer ihre Tätigkeit im Geheimdienst der Schweiz während des 2. Weltkriegs und ihre Verbindungen ins nationalsozialistische Deutschland. Durch diese Enthüllungen werden die Kindheitserinnerungen Kunos in ein ganz anderes Licht gestellt und dadurch wird er so aus dem Konzept gebracht, dass er für einen alten Nachbarn eine ungewöhnliche Aufgabe übernimmt. Er soll für Anselm Schmirhahn, den Besitzer einer lokalen Brauerei und eines Ablegers im Kongo, den Geschäftsführer der kongolesischen Zweigstelle aufspüren, nachdem sich dieser nicht mehr meldet. Kuno ist der einzige, der den Geschäftsführer persönlich kennt, denn es handelt sich um seinen Jugendfreund Willy, der vor einem Vierteljahrhundert zusammen mit Kunos Jugendliebe Sophie nach Afrika gereist ist, um dort die Geschäfte für die Anselm-Brauerei zu übernehmen. Kuno begibt sich auf eine abenteuerliche Reise ins Herz Afrikas und taucht ein in alte Legenden und Mythen des Kongo. Er findet seinen Jugendfreund und seine Jugendliebe wieder, hilft den beiden in einer misslichen Lage und erlebt eine innerliche und äußerliche Verwandlung, an deren Ende er eine dunkle Hautfarbe bekommen hat. Als er zurück in die Schweiz kommt, muss er sich von seinem Vater verabschieden, der verstirbt. Er übergibt Anselm Schmirhahn Informationen von Willy und der Schreck darüber lässt den alten Mann versterben. Kuno macht sich dann zusammen mit der von ihm schon lange verehrten Altenpflegerin Anna auf den Weg in den Kongo, übernimmt die dortige Brauerei und schreibt seine Geschichte auf.

Didaktische Hinweise

Der Schweizer Urs Widmer ist ein großartiger Erzähler und seine Freude am Geschichtenerzählen spricht den Leser direkt an. Seine Erzählweise ist abwechslungsreich, die Figuren wirken sehr lebendig und gut greifbar und sein Humor findet sich an vielen Stellen des Romans selbst in ernsten Kontexten. Schülerinnen und Schüler können in viele unterschiedliche Themenbereiche eintauchen (zum Beispiel 2. Weltkrieg, Neutralität der Schweiz, Geheimdienste, Urwald, modernes Afrika), ohne einen erhobenen Zeigefinger oder Belehrungen zu erleben. Es ist notwendig, die dargestellten Situationen im Buch historisch und soziokulturell zu untersuchen und zu reflektieren, damit die Schülerinnen und Schüler auch eine hintergründige zweite Text- und Inhaltsebene erschließen können. Gerade die Darstellungen des afrikanischen Lebens und der kongolesischen Kultur müssen zusammen mit der Sprache genau und kritisch unter die Lupe genommen werden, um Missverständnissen vorzubeugen. Geeignet ist dieser Roman als Lektüre für lesegeübte und ältere Schülerinnen und Schüler ab der zehnten Jahrgangsstufe, denn die dargestellten Situationen brauchen zum Teil ein gewisses Vorwissen beziehungsweise Verständnis. Gewinnbringend kann es sein, die einzelnen Erzählstränge aufzuspalten und einzeln zu untersuchen, um dadurch die Erzählweise genauer zu beleuchten. Urs Widmer bietet sich als Schweizer Schriftsteller als Alternative zu Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt an und sein Roman weist wie die Erzähltexte und Theaterstücke der beiden Autoren ebenfalls viel Humor auf. Inhaltlich lässt sich mit den Fächern Geographie (z. B. zu den Themen Urwald und Leben in Afrika) und Geschichte (z. B. zu den Themen Nationalsozialismus und Rolle der Schweiz im 2. Weltkrieg) gut kooperieren.

Gattung

  • Romane

Eignung

als Klassenlektüre geeignet und zum Vorlesen

Altersempfehlung

Jgst. 10 bis 13

Fächer

  • Deutsch

FÜZ

  • Interkulturelle Bildung
  • Politische Bildung
  • Soziales Lernen
  • Werteerziehung
  • Sprachliche Bildung

Erscheinungsjahr

1996

ISBN

9783257230109

Umfang

215 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book