Nora Krug: Im Krieg

Besprechung

Zwei illustrierte Tagebücher aus Kiew und St. Petersburg

Nora Krug hat abermals ein beeindruckendes Werk im Genre Graphic Novel bzw. grafischer Dokumentarjournalismus geschaffen. Tatsächlich sind es sogar zwei autobiografische Erzählungen, die sie hier gegenüberstellt. Der Titel bringt unzweideutig und brutal auf den Punkt, um was es hier geht: „Im Krieg“ zu sein, sind Worte, die uns Europäern zum Glück kaum über die Lippen gehen wollen, so unglaublich scheint uns dieser Zustand zu sein. Und doch befindet sich die Ukraine seit dem 24.2.2022 im Krieg, denn Putins Russland versucht seitdem, dieses Land und seine Kultur auszulöschen.

Gleich nach Kriegsbeginn nahm Nora Krug Kontakt zu einer ukrainischen Journalistin und einem russischen Künstler auf. Auf dem Titelbild sind die gezeichneten Profile der beiden Schreibenden zu sehen, nicht aber deren Augen. Tatsächlich bleiben die beiden Gesprächspartner auch im Buch anonym, zu groß sind wohl die Gefahren, die eine personalisierte Veröffentlichung mit sich gebracht hätte. Nora Krug setzt die beiden Berichte gekonnt in Szene, indem sie illustriert, was beide unabhängig voneinander erleben. Die Leserinnen und Leser werden mitgenommen in 52 kurzen Wochenberichten aus den beiden Lebenswelten. Obwohl der eine aus dem Land kommt, das den Krieg begonnen hat, und die andere aus dem Land, das angegriffen wird, gibt es doch erstaunlich viele Ähnlichkeiten: Beide müssen irgendwie mit der neuen Realität zurechtkommen, in die sie gestoßen wurden. Beide bangen um ihre Freunde und Verwandte. Beide müssen aus unterschiedlichen Gründen ihr Land verlassen und leiden unsäglich darunter. Beide wollen nichts anderes, als den gewohnten Alltag mit den eigenen Kindern wieder aufnehmen und beide erleben täglich, wie weit sie davon entfernt sind. Und dennoch macht sich bei allen Berichten über die Grausamkeiten des Kriegs, über Tod und Terror, über Existenzängste und Schuldgefühle am Ende dennoch ein Funken Hoffnung breit: „Ich bin mir sicher, dass (es unseren Kindern) in der Zukunft irgendwie gelingen wird“, die Feindschaft zwischen Ukrainern und Russen zu überwinden, schreibt die ukrainische Journalistin. Der russische Künstler endet mit dem Gedanken, dass es notwendig ist, sich mit den politischen Maßnahmen in den jeweils eigenen Ländern kritisch auseinanderzusetzen.