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Charlotte Kerner: Blueprint Blaupause

Besprechung

Wie lebt man als geklonter Mensch?

Der Roman handelt von der hochbegabten Pianistin und Komponistin Iris Sellin, die im Alter von 30 Jahren erfährt, dass sie an Multipler Sklerose erkrankt ist. Weil sie sich selbst als einmalig und als etwas Besonderes begreift, beschließt sie, sich klonen zu lassen und ihre Doppelgängerin auszutragen. Das Klonen von Menschen ist zwar auch heute noch vom Standpunkt der Wissenschaft aus nicht möglich, aber Charlotte Kerner spielt diese Möglichkeit in einem Roman dennoch durch, wobei darin nicht die Mutter, sondern ihre genotypisch identische Tochter Siri im Mittelpunkt steht, die zum Teil als Ich-Erzählerin fungiert. Der Name Siri zeigt bereits, was die Mutter damit im Sinn hat, denn er ergibt wiederum Iris, nur rückwärts gelesen. Siri wächst behütet und materiell abgesichert auf, wird aber von Beginn an zur Pianistin ausgebildet und von der Mutter manipuliert, damit sie so funktioniert, wie Iris sich ihr Ebenbild vorstellt. Siri soll all das weiterführen, was Iris aufgrund ihrer Krankheit verwehrt ist. Jeder Versuch der Tochter, sich aus dem engen Korsett zu befreien, wird von Iris strikt und konsequent unterbunden. Je älter Siri wird, die recht früh erfährt, dass sie geklont ist, desto verzweifelter werden ihre Versuche herauszufinden, was an ihr selbst einmalig ist, worin ihr Ich besteht. Als Iris‘ Krankheit so weit fortgeschritten ist, dass sie nicht mehr auftreten kann, wird Siri öffentlich als ihre Nachfolgerin präsentiert, aber obwohl Siri die Begabung ihrer Mutter geerbt hat, versagt sie in diesem großen Konzert kläglich und ihre Mutter übernimmt ihren Part und wird vom Publikum begeistert bejubelt, auch wenn ihre technischen Fähigkeiten durch die Krankheit gelitten haben. Siri erklärt sich ihr Versagen damit, dass sie während des Spielens nicht mehr wusste, wer sie ist, ob sie den Anweisungen der Mutter oder ihren eigenen Gefühlen folgen soll. Nach diesem desaströsen Konzert trennt sich Siri von der Mutter und versucht, sich mithilfe ihres Kindheitsfreundes Jannik ein eigenes unabhängiges Leben aufzubauen. Das gelingt zunächst nur zum Teil, denn sie wird von extremen Stimmungsschwankungen, von ihrem schlechten Gewissen und von einem Hang zur Selbstzerstörung heimgesucht. Erst als Iris nach langer Krankheit stirbt, gelingt es Siri nach und nach, eine eigene Identität aufzubauen. Obwohl sie bei Iris‘ Beerdigung vollendet Klavier spielt, gibt sie eine Karriere als Pianistin auf und wird zu einer gefeierten bildenden Künstlerin, findet somit schließlich ein eigenes, von ihrer Mutter unabhängiges Ich.

Didaktische Hinweise

Charlotte Kerners 1999 erschienener und mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichneter Roman beschäftigt sich zwar mit dem Klonen von Menschen, einem Thema, das zurzeit nicht mehr in aller Munde ist, aber die Präimplantationsdiagnostik spielt in der Diskussion immer noch eine große Rolle und wird die Gesellschaft wohl auch in Zukunft beschäftigen. In einem Nachwort hat die Autorin die wichtigsten Fakten zum Klonen und zur Reproduktionstechnik zusammengestellt, außerdem finden sich Verweise auf weitere Quellen. Unabhängig davon lohnt es sich, Charlotte Kerners Roman zu lesen. Denn dass Siri ein Klon ist, ist zwar für die Ausbildung ihrer Identität relevant, aber man kann die Handlung prinzipiell auch als Coming-of-Age-Geschichte auffassen, geht es doch um die Lösung von einer übermächtigen Mutter und der für jedes Kind schwierigen Suche nach dem eigenen Ich. Außerdem lässt sich mit den Schülerinnen und Schülern über die „Dressur“ von hochbegabten Kindern sprechen, die von ihren Müttern und Vätern zu Höchstleistungen gedrillt werden. Der Beltz Verlag bietet auf seiner Homepage ein ausführliches, kostenloses Unterrichtsmodell; die darin ausgearbeiteten Arbeitsblätter mit Lösungsvorschlägen lassen sich einfach und ohne großen Aufwand adaptieren und im Unterricht einsetzen. Außerdem enthält das Unterrichtsmodell Informationstexte zu den wissenschaftlichen Grundlagen, ein Interview mit der Autorin sowie weitere Links und Quellenangaben. Charlotte Kerners Roman wurde 2003 von Rolf Schübel mit Franka Potente in der Hauptrolle verfilmt, sodass man auch die Analyse eines Films in dieser Sequenz besprechen kann.  

Gattung

  • Romane

Eignung

Altersempfehlung

Jgst. 9 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Philosophie
  • Psychologie
  • Sozialkunde/Politik und Gesellschaft
  • Biologie
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
  • Familien- und Sexualerziehung

FÜZ

  • Familien- und Sexualerziehung
  • Soziales Lernen
  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

1999

ISBN

9783407741028

Umfang

207 Seiten

Medien

  • Buch
  • Film
  • Hörbuch