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Stefanie Höfler: Feuerwanzen lügen nicht

Besprechung

Ein beeindruckendes Kinderbuch über die Stigmatisierung der Armut

Stefanie Höflers preisgekrönter Roman „Tanz der Tiefseequalle“ wird gerne im Unterricht gelesen, weil er bei den Jugendlichen gut ankommt und weil man anhand dieses Romans das Thema „Mobbing“ und erste Liebe altersgerecht und nah an der Lebenswirklichkeit der jungen Menschen besprechen kann.

In ihrem neuen Roman beschäftigt sich die Autorin mit einer anderen Form der Ausgrenzung, nämlich der durch Armut. Allerdings versteckt Nits bester Freund Mischa die finanzielle Lage seiner Familie so gut und kaschiert Fehlendes so geschickt, dass selbst der Ich-Erzähler Nits sehr lange braucht, um zu begreifen, was mit Mischa, seiner kleinen Schwester Amy und seinem Vater los ist. Außerdem wird Mischa von vielen bewundert, denn er ist schlau und zu allen freundlich, trägt stets weiße, langärmlige Hemden, eine Lederjacke und einen uralten Rucksack und alle finden, dass er cool aussieht, obwohl dieses Outfit lediglich aus der Not geboren ist.

Mischas Mutter hat ihren Mann und die beiden Kinder verlassen, aber gegenüber Amy und auch gegenüber Nits behaupten Mischa und sein Vater, sie sei eine berühmte Zoologin, die im Urwald forscht. So fällt nicht auf, dass Mischas Vater durch Gelegenheitsjobs seine beiden Kinder alleine durchbringen muss. Alle Mitschülerinnen und Mitschüler finden Mischas Vater toll, denn er sieht wie ein Rockstar aus, kann jonglieren, auf den Händen gehen und mit seiner charmanten Art bezaubert er auch die Erwachsenen. Erst später begreift Nits, dass Mischa von seinem Vater enttäuscht ist, weil dieser es in keinem seiner Jobs lange aushält, weshalb ihm und den Kindern fast immer das Nötigste fehlt. Das geheim zu halten, verlangt Mischa das Äußerste ab. So bringt er das Geld, das in der Schule für Ausflüge, für Bücher oder anderes eingesammelt wird, immer als Letzter, macht Umwege, damit niemand sieht, dass er bei der Tafel einkauft, und nimmt nicht einmal Nits mit in die Wohnung seiner Familie. Hilfe aber wollen weder er noch sein Vater annehmen, denn dann hätten sie zugeben müssen, dass sie arm sind.

Das fein austarierte System droht zusammenzubrechen, als die Kinder in der Schule Schwimmunterricht erhalten sollen, denn Mischa hat keine Badehose, die ihm passt, und Geld für eine neue ist nicht da. Diese Kleinigkeit bedeutet für Mischa eine Katastrophe, denn für ihn gibt es keinen Ausweg. Es sei denn, er hätte seine Armut zugegeben und das kommt für ihn nicht in Frage. Stattdessen tut er, der nie zu spät kommt, äußerst ordentlich ist und niemals lügt, etwas, das er selbst hasst: Er überbringt seinem Klassenlehrer ein gefälschtes Attest, das ihm bescheinigt, dass er allergisch auf Chlorwasser reagiert. Auch Nits belügt er damit, der jedoch in der folgenden Zeit langsam begreift, was mit seinem Freund los ist. Aber währenddessen geraten die Freunde und die kleine Amy in große Gefahr, denn Mischas Vater hat sich mit Dieben eingelassen, denen er Geld schuldet, das er natürlich nicht zurückzahlen kann. Gemeinsam mit Nits Eltern wird schließlich eine Lösung für das Problem gefunden und Mischas Familie ist erst einmal wieder glücklich, sogar die Dame vom Jugendamt ist zufrieden.

Didaktische Hinweise

Dieser Roman zeigt Kindern auf eindringliche Weise, dass in diesem reichen Land Menschen leben, für die eine Kleinigkeit, wie die Anschaffung einer Badehose, ein unlösbares Problem bedeutet. Bislang wurde diese Thematik von der Kinder- und Jugendliteratur kaum aufgegriffen, obwohl wir Lehrerinnen und Lehrer wissen, dass es wohl in fast jeder Klasse Kinder gibt, deren finanzielle Situation derjenigen von Mischas Familie ähnelt.

Auch die Art des Lebens, das Mischas Familie führen muss, wird eindrucksvoll dargestellt. In Mischas Wohnung gibt es so gut wie nichts, nicht einmal genügend Stühle in der Küche; Mischa und Amy besitzen nur ihre Kleidung und ihre Schulsachen, während Nits Kinderzimmer vor Spielzeug, Jeans, Pullovern, Schuhen und anderem geradezu überquillt. Somit werden auch die Unterschiede zwischen Armen und Wohlhabenden deutlich hervorgehoben, und man kann im Unterricht darüber diskutieren, welche Folgen die Höhe des Einkommens für das Leben der Menschen hat. Objektive Fakten zu diesem Thema bietet zum Beispiel der aktuelle Armutsbericht der Stadt München oder der des Paritätischen Wohlfahrtsverband für Deutschland.

Auf der Website des Verlags findet man eine Leseprobe des Romans und Informationen zur Autorin. Da der Beltz Verlag eine kostenlose Lehrerhandreichung zum „Tanz der Tiefseequalle“ herausgegeben hat, ist zu hoffen, dass auch für den neuen Roman Materialien entwickelt werden.

Darüber hinaus eignet sich der Roman auch zur Vermittlung der Bildungsziele für Nachhaltige Entwicklung (BNE), und zwar vor allem unter den Punkten Keine Armut (1) und Weniger Ungleichheit (10).

Gattung

  • Romane

Eignung

sehr gut als Klassenlektüre geeignet und zum Vorlesen

Altersempfehlung

Jgst. 5 bis 6

Fächer

  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre

FÜZ

  • Familien- und Sexualerziehung
  • Soziales Lernen
  • Werteerziehung
  • Bildung für Nachhaltige Entwicklung (Umweltbildung, Globales Lernen)

Erscheinungsjahr

2022

ISBN

9783407756831

Umfang

234 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book