Ida Mlakar Crnic; Peter Skerl (Illustr.): In unserer Nähe wohnt ein Mädchen
Besprechung
„Keiner nennt sie Prinzessin. Und auf dem Schulhof möchte niemand mit ihr spielen.” Mit diesen zwei Sätzen lässt sich das Bilderbuch „In unserer Nähe wohnt ein Mädchen” aufs Kürzeste zusammenfassen. Ein fremdes Mädchen taucht plötzlich auf, erst in der Straße, dann auch in der Schule. Niemand kennt das Mädchen oder hat es bisher schon einmal gesehen. Niemand scheint es wahrzunehmen, sie ist wortlos, namenlos, farblos, scheinbar bedeutungslos. Sie wohnt nicht in einem schönen Haus, hat kein eigenes Zimmer und auch kein rosa Pony. Sie schläft gemeinsam mit ihrer Mutter in einem Stockbett und teilt sich mit ihrem Bruder eine kleine Wohnung, „schmutzig und eng”. Wenn alle anderen Kinder der Klasse als Hausaufgabe über ihr Zimmer schreiben müssen, fällt dem Mädchen nichts ein. Sie kaut an ihrem Bleistift und gibt schließlich ein leeres Blatt ab, wofür sie eine schlechte Note bekommt.
Immerhin darf sie die abgelegten Kleider der anderen Mädchen tragen und beim Prinzessin-Spiel ihre Zofe sein.
Über mehrere Monate lebt das Mädchen wenig beachtet in der Straße. Eines Tages kommt sie nicht mehr zur Schule. Das schäbige Haus, in dem sie lebte, wurde abgerissen und niemand weiß, wohin sie gegangen ist. Doch Wochen nach ihrem Fortgehen finden die Kinder in ihrem Schrank einen wahren Wunderschatz, von dem sie nichts ahnten!
Didaktische Hinweise
Das Buch mit den großflächigen, beeindruckenden Bildern von Peter Skerl ist zutiefst berührend. Es thematisiert Ausgrenzung sowie soziale Unterschiede und kann unter anderem im Kontext auf die Situation von Flüchtlingen und Menschen, die sich am Rande unserer Gesellschaft wiederfinden, betrachtet werden. Obwohl im Buch nicht genannt wird, woher das Mädchen kommt und warum es plötzlich da ist, lassen die Bilder vermuten, dass es sich nicht um eine europäische Familie handelt. Der Gedanke an eine Flüchtlingsfamilie kommt beim Betrachten der Bilder schnell. Gefühle von Scham und Unterwürfigkeit auf der einen Seite und Wohlstand bis hin zu sozialer Überheblichkeit auf der anderen Seite machen die Lesenden betroffen. Es sollte im Unterricht deshalb unbedingt die Möglichkeit zum Gedankenaustausch und Gespräch gegeben werden. Unter dieser Voraussetzung eignet sich das Bilderbuch gut zum Vorlesen und Betrachten im Ethikunterricht schon ab Klasse 1/2. Zentrale Themen des Bilderbuches sind Armut und die soziale Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Es regt daher auch zum Nachdenken über Chancengleichheit an.
Im Lernbereich 2 Zusammenleben: Dem anderen begegnen könnte die Lektüre in allen vier Jahrgangsstufen Verwendung finden. Die Lesenden müssen sich auseinandersetzen mit unterschiedlichen Begrifflichkeiten wie „Vorurteile”, „Respekt” und „Ausgrenzung” sowie mit der Fragestellung, warum es in unserer Gesellschaft, in meiner Klasse, in meiner Straße, Menschen gibt, die „nicht gesehen werden”, weil sie eben keine schillernden Prinzessinnen (und Prinzen) sind. Die Geschichte von dem unbekannten Mädchen ließe sich auch beim Thema „Kinderrechte – Menschenrechte” im Ethikunterricht der Klasse 3/4 aufgreifen. In höheren Klassen könnten nach der Vorstellung des Buches Möglichkeiten einer sinnvollen Hilfe sowie konkrete Möglichkeiten eigenen sozialen Engagements, Unterstützung gegen Ausgrenzung und Vorurteile besprochen werden.
Gattung
- Bilderbücher
Eignung
themenspezifisch geeignet und zum VorlesenAltersempfehlung
Jgst. 1 bis 4Fächer
- Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
FÜZ
- Werteerziehung
- Soziales Lernen
- Sprachliche Bildung
- Bildung für Nachhaltige Entwicklung (Umweltbildung, Globales Lernen)