Sarah Leavitt: Das große Durcheinander. Alzheimer, meine Mutter und ich
Besprechung
Die Mutter erkrankt mit 52 Jahren an Alzheimer. Niemand möchte das zunächst glauben, aber es schleichen sich immer mehr unerklärliche Anzeichen ein, zunächst von der Patientin selbst mit großer Abwehr begleitet. Die Familie, Ehemann, zwei Töchter und Schwestern kümmern sich trotz teilweiser großer geographischer Distanzen um die frühere Lehrerin, die ein eigenwillige Denkerin ist und das, was man durchaus eine Frau mit Karriere nennen kann. Vom Verlust der Arbeit bis zum Tod, der schließlich doch im Pflegeheim stattfindet, vergehen sechs Jahre, während denen die Tochter ihre Mutter und die Szenen des Alltags aufzeichnet, wörtlich in Bild und Text. Es entsteht eine gleichermaßen durch die Zeichnung distanzierte wie ergreifende Geschichte – die einer Familie, einer Ehe, einer Krankheit und nicht zuletzt einer Suche nach der eigenen Identität. Während der Krankheit hat Sarah ihr Coming-Out. Als sie ihre Mutter an der Hand spazieren führt, wird sie von Fremden als „Lesbe“ beschimpft. Dies ist umso verletzender als sie ja tatsächlich in einer lesbischen Beziehung lebt. Die Rolle der Tochter, die von der Mutter entfernt lebt und als Entlastung ihres Vaters immer wieder längere Zeit mit ihr verbringt, in der sich eine neue Verbindung zwischen ihnen entwickeln kann, sowie der Umgang der anderen helfenden Familienmitglieder mit der Kranken sind sensibel und realistisch dargestellt. Die Geschichte ist stark autobiographisch geprägt. Die grau-schwarz-weißen Zeichnungen sind auf den ersten Blick skizzenhaft, ähneln Kinderzeichnungen. Mit der genaueren Betrachtung erkennt man viele feine Details in Körperhaltung, Gesichts- und Schriftzügen. Die Texte in Druckbuchstaben sind meistens narrativ, keine Sprechblasen, wenig für Comics typische wörtliche Rede, oft onomatopoetische Wiedergabe, gerade in der Phase, als der Kranken die Sprache entgleitet.
Didaktische Hinweise
Die Gestaltung der Graphic Novel, die Erzählstruktur und die Krankheitsgeschichte als solche sind Themen für den Unterricht. Die Krankheit kann jungen Menschen auf diesem Weg leichter nahegebracht werden als dürre Faktenvermittlung im Biologieunterricht. Die Beispiele des Umgangs mit dem Einbruch der Krankheit können besprochen werden. Zu beachten ist, dass der sehr frühe Beginn der nicht heilbaren Krankheit Ängste bei den Schülerinnen und Schülern erregen kann, ihre Eltern, aber auch sie selbst betreffend. Die Form des „Comic“ erzeugt scheinbar zunächst Distanz, dann zeigt sich, dass der Leser/Betrachter viel stärker in das Geschehen eintritt, da er die Lücken zwischen dem Gezeichneten schließen muss. Dazu: Scoot McClaoud: Understanding Comics. The invisible Art.
Gattung
- Comics, Comic-Romane, Graphic Novels
Eignung
themenspezifisch geeignetAltersempfehlung
Jgst. 10 bis 13Fächer
- Deutsch
- Englisch
- Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
- Zusätzliche Fächer (Fachunterricht)
Erscheinungsjahr
2013ISBN
9783407859686Umfang
128 SeitenMedien
- Buch